Konzernmacht

Die Macht von übermächtigen Konzernen beschneiden

Übermächtige Konzerne dominieren weite Teile unserer Wirtschaft und kontrollieren für die Gesellschaft wichtige Märkte wie etwa den Digital- oder Finanzsektor.
von 8. Juni 2021

Große Unternehmen dominieren weite Teile der Wirtschaft wie den Digital- oder Finanzsektor. Dieser Trend verschärft sich, insbesondere durch die Digitalisierung. Gegen die zunehmende Monopolisierung der Märkte fordert LobbyControl mit 23 anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen jetzt ein entschiedenes Vorgehen. Die Konzentration von wirtschaftlicher und politischer Macht schadet der Demokratie, der Gesellschaft und der Wirtschaft. Der Bundestag und die EU-Institutionen müssen es den Kartellbehörden ermöglichen, zukünftig in schwerwiegenden Fällen übermächtige Konzerne zu entflechten, das heißt aufzuspalten. Dies fordern wir mit dem Statement „Übermächtige Konzerne entflechten“(pdf).

Wenn wenige Konzerne Märkte kontrollieren, können sich diese einseitig ökonomische Vorteile verschaffen, die Politik in ihrem Sinne beeinflussen und soziale und ökologische Kosten auf die Gesellschaft abwälzen. Die mächtigen Unternehmen können höhere Gewinne durchsetzen, indem sie auf der Abnahmeseite die Preise drücken, Marktzugangsbedingungen bestimmen und Größenvorteile ausnutzen. Da Unternehmens- und Aktienbesitz sehr ungleich verteilt ist, führt Marktkonzentration so zu mehr Ungleichheit.

Eine Gefahr für die Demokratie

Die Konzentration ökonomischer Macht ist eine Gefahr für die Demokratie. Große Unternehmen können ihre Marktmacht in politischen Einfluss ummünzen. So können sie politische Maßnahmen ausbremsen, die ihren Interessen widersprechen, aber wichtig für das Gemeinwohl wären. Im Ergebnis bleiben gesetzliche Regeln auf der Strecke, die etwa Gerechtigkeit fördern, die Umwelt schützen oder die Stabilität des Finanzsystems stärken. Die Macht riesiger Konzerne verringert damit die Steuerungsfähigkeit der Politik.

Zugleich treffen marktmächtige Konzerne selbst Entscheidungen, die viele Menschen betreffen. Ein problematischer Fall sind die großen Tech-Konzerne. Ihre Machtstellung berührt Kernbereiche der Demokratie, etwa die Art wie öffentliche Debatten funktionieren. Hier werden grundlegende Fragen maßgeblich von wenigen Personen wie Marc Zuckerberg oder Jeff Bezos entschieden. Das widerspricht demokratischen Prinzipien. Eine Demokratie verträgt sich nicht mit immer größeren ökonomischen Machtungleichgewichten und einer Machtkonzentration bei Wenigen.

Entflechtung als wirksames neues Instrument

Dennoch wird die übermäßige Marktmacht dominanter Konzerne von der Politik nicht angetastet. Die meisten Fusionen großer Unternehmen werden ohne strenge Auflagen genehmigt. Vermachtete Marktstrukturen mit wenigen Wettbewerbern aufzulösen, ist bislang in der Wirtschaftspolitik und im Kartellrecht nicht vorgesehen. Politik und Behörden in Europa wollen nur den Missbrauch von Marktmacht zu Lasten anderer Unternehmen begrenzen. Doch diese Versuche gleichen einem nicht enden wollenden Katz-und-Maus-Spiel. Die EU-Kommission führte zwar einzelne spektakuläre Verfahren. Sie verhängte hohe Strafen gegen Konzerne wie Google, weil sie ihre Marktmacht missbraucht hatten. Aber diese Verfahren sind langwierig und schwierig. Selbst wenn es Strafen gibt, führen diese nicht zu einer Auflösung der zugrundeliegenden Machtstellungen. Mit verhaltensorientierten Abhilfemaßnahmen allein lässt sich das Problem nicht lösen.

Deshalb brauchen wir weitere Instrumente. Die deutsche und europäische Politik muss Entflechtung zu einem einsatzfähigen Instrument der Kartell- und Regulierungsbehörden machen. Wenn eine große strukturelle Abhängigkeit von einem Konzern besteht und dieser derart marktmächtig ist, dass dies schwerwiegende Folgen für die Gesellschaft hat, muss eine solche Entmachtung ohne den Nachweis eines Missbrauchs möglich sein (sogenannte missbrauchsunabhängige Entflechtung). Entflechtungen können vermachtete Marktstrukturen aufbrechen und eine funktionierende Regulierung im Sinne des Gemeinwohls erleichtern.

Beispiel: die monopolartige Digitalwirtschaft

Ein prominentes Beispiel sind die großen Online-Plattformen von Amazon bis Google. Die großen Tech-Konzerne dominieren weite Teile der digitalen Wirtschaft, sie sind die größten Lobby-Akteure in Europa und beeinflussen Kernbereiche der Demokratie wie die Funktionsweise öffentlicher Debatten. Ihre Wirkungsweise als Plattformen für Nutzer:innen und Geschäftskunden verleiht ihnen besondere Macht: Sie bestimmen über den Zugang zu Online-Märkten sowie deren Regeln und können alle Interaktionen auf ihren Plattformen auswerten. So können sie abhängige Unternehmen oder Dritthändler unter Druck setzen, das Kaufverhalten der Kund:innen zu ihren Gunsten beeinflussen und die Rechte ihrer Beschäftigten untergraben.

Google Zentrale in Mountain View, Kalifornien
The Pancake of Heaven - CC-BY-SA 4.0
Google Zentrale in Mountain View, Kalifornien

Die Internetkonzerne kontrollieren heute zentrale Teile der digitalen Infrastruktur und haben in zentralen Märkten monopol-artige Stellungen. Amazon dominiert den E-Commerce. Google hat eine Monopol-Position bei der Internet-Suche. Apple und Google teilen sich den Markt für Handy-Betriebssysteme und kontrollieren damit den Zugang anderer App-Anbieter zu potentiellen Nutzer:innen. Facebook hat eine dominante Position bei sozialen Netzwerken und mit Google zusammen bei der Online-Werbung. Ausgehend von ihren profitablen Kerngeschäften und Monopolpositionen dringen sie in immer weitere Geschäftsbereiche vor. Die Tech-Konzerne versuchen, umfassende „Ökosysteme“ aus vernetzten Diensten und Geräten zu entwickeln.

Fusionen wurden durchgewunken

Dabei profitieren die Plattformen von günstigen politischen Rahmenbedingungen. Zentrale Übernahmen und Fusionen wurden nur lax geprüft und genehmigt, wie etwa der Kauf von Whatsapp durch Facebook. Der Aufstieg von Amazon, Apple, Facebook, Google und Microsoft basiert auch auf mehr als 800 Übernahmen anderer Firmen. Keine davon wurde in den letzten 20 Jahren durch eine Kartellbehörde untersagt. Auch nicht in der EU.

GWB-Novelle und Digital Markets Act (DMA) als sinnvolle Schritte

Die bisherigen Instrumente reichen demnach nicht aus, um die Macht der Tech-Konzerne zu begrenzen. Deshalb arbeiten viele Staaten an neuen Regeln. In Deutschland erlaubt der neue Paragraph 19a im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), dass das Kartellamt Plattformen mit sogenannter „marktbeherrschender Stellung“ striktere Vorgaben machen kann.

Auf europäischer Ebene ist gerade der Digital Markets Act (DMA) in Vorbereitung, der Tech-Konzernen neue Schranken bei der Ausübung ihrer Macht auferlegen soll. Nach bisherigem Stand müsste Apple etwa alternative App-Stores auf iphones zulassen, die Selbstbevorzugung eigener Dienste wäre untersagt und Amazon dürfte die Daten anderer Anbieter nicht für eigene Angebote auswerten.

Neue Regeln um strukturelle Maßnahmen wie Entflechtung ergänzen

Das sind gute Ansätze. Allerdings werden die Digitalkonzerne mit ihrer Lobbyarbeit sicher noch für Verwässerungen kämpfen. Und sie werden versuchen, die neuen Regeln möglichst in abgeschwächter Form umzusetzen oder neue Umgehungsstrategien suchen. Die Aufsicht über und Regulierung dieser Digital-Imperien sind wegen ihrer Größe, ihrer verflochtenen Geschäftsbereiche und undurchsichtigen Algorithmen besonders schwierig. Deshalb sollte sich die Politik nicht allein auf solche sogenannten verhaltensbasierten Regeln verlassen. Es braucht zusätzlich strukturelle Maßnahmen, um die Machtkonzentration im Tech-Sektor zu verringern (siehe unsere Analyse zum Digital Markets Act, DMA).

Neben neuen Regulierungsansätzen wie im Digital Markets Act der EU plädieren wir deshalb für ein wirksames Entflechtungsinstrument. Kartellbehörden könnten dann in gravierenden Fällen die Abspaltung von Unternehmensteilen erzwingen. So könnte etwa Whatsapp von Facebook abgespalten werden oder Android von Google. Google könnte dann die starke Stellung von Android nicht mehr nutzen, um die eigenen Dienstleistungen bevorzugt auf mobile Geräte vorzuinstallieren. Eine solche Entflechtung kann Machtstellungen an der Wurzel angehen. Es wirkt auch präventiv abschreckend, weil es ein starkes Drohszenario für Unternehmen aufbaut.

Die Debatte um Aufspaltungen von Big Tech läuft

International gibt es konkrete Debatten um die Entflechtung von Tech-Konzernen, allen voran in den USA. Für die Entflechtung marktbeherrschen­der Unternehmen gibt es international Erfahrungen und Präzendenzfälle. Zudem ist es keine Seltenheit, dass Konzerne eine Entflechtung selbst initiieren. Eine Analyse von Fortune-100-Konzernen in den 1990er Jahren ergab insgesamt 2.307 Fusionen und Übernahmen sowie ganze 1.611 Veräußerungen von Geschäftsbereichen. Übermächtige Konzerne könnten in funktionale, überlebensfähige Teil-Unternehmen aufgeteilt werden, sodass Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Deutschland und EU brauchen ein neues Entflechtungsinstrument

In Deutschland und Europa fehlen aber die rechtlichen Voraussetzungen dafür. Dabei gab es auch in Deutschland seit den 1960er Jahren immer wieder Forderungen nach einem Entflechtungsinstrument. Die Politik sollte sich in Deutschland und in der EU dafür einsetzen, die Marktkonzentration zu beschränken und die rechtlichen Grundlagen für eine missbrauchsunabhängige Entflechtung zu schaffen.

Wir müssen wieder stärker begreifen, dass die Konzentration ökonomischer Macht auch eine Gefahr für die Demokratie ist. Es ist nicht nur eine ökonomische Frage. Wir brauchen eine umfassende und offene Debatte darüber, wie übergroße Konzernmacht begrenzt und ihre negativen Auswirkungen eingedämmt werden können.

Unterzeichnerliste des Entflechtungs-Aufrufs

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