Parteienfinanzierung

Illegale AfD-Spenden: Rote Karte für Meuthen

Erstes Gerichtsurteil im AfD-Spendenskandal: Das Berliner Verwaltungsgericht bestätigte, dass die verdeckte Wahlkampfhilfe für AfD-Chef Jörg Meuthen illegal war. Die AfD muss rund 270.000 € Strafe zahlen. Wir haben das Verfahren begleitet und analysiert.
von 13. Januar 2020
Bild einer roten Karte
Ian Burt - CC-BY 2.0

Im AfD-Spendenskandal gibt es seit Donnerstag ein erstes Gerichtsurteil: Das Berliner Verwaltungsgericht bestätigte, dass die AfD rund 270.000 Euro Strafe wegen einer illegalen Parteispende für Jörg Meuthen zahlen muss. Meuthen hatte im baden-württembergischen Wahlkampf 2016 verdeckte Wahlkampfhilfen im Wert von fast 90.000 Euro angenommen. Die AfD hatte gegen den Strafbescheid der Bundestagsverwaltung geklagt - vor Gericht bekam sie nun eine rote Karte.

Jörg Meuthen, 2016 Spitzenkandidat der AfD für den badenwürttembergischen Landtag, zudem Parteichef auf Bundes- und Landesebene, hatte verdeckte Wahlkampfhilfe durch die Schweizer Werbe-Agentur Goal AG angenommen. Die von seinem Freund Alexander Segert geführte Firma erstellte für ihn eine Webseite, buchte Großplakate, schaltete Anzeigen und ließ Flyer verteilen - Gesamtwert der Maßnahmen: 89.800 Euro. Mit seiner Unterschrift unter eine Freistellungserklärung übernahm Meuthen damals auch schriftlich die rechtliche Verantwortung dafür - meldete die Parteispende aber nicht, wie es vorgeschrieben wäre. Entsprechend tauchte sie im Rechenschaftsbericht der AfD nicht auf.

Noch 2017 hatte Meuthen versucht, das Ausmaß der Goal-Wahlkampfhilfe zu vertuschen. Er tat damals so, als sei es nur um eine Webseite gegangen und verschwieg in seiner schriftlichen Antwort auf unsere Nachfragen, dass da viel mehr gewesen war. Später musste er Plakate, Anzeigen und Flyer einräumen – die er natürlich schon längst kannte. Die Details der Meuthen-Affäre im Überblick finden Sie hier in unserem Briefing.

Meuthen hat seine Pflicht verletzt

Vor Gericht versuchte Meuthen, sich als unwissend und überfordert darzustellen. Immer wieder behauptete er Erinnerungslücken oder "nichts mitgekriegt" zu haben. Die Strategie erinnerte an die angeblichen "Blackouts" von Helmut Kohl und verfing bei den Richtern nicht. Sie stellten fest, dass Meuthen als (sogar alleinvertretungsberechtigter) Repräsentant der Partei gegen seine gesetzlichen Sorgfaltspflichten verstoßen habe. Ein Parteivorsitzender kann nun einmal nicht reklamieren, vom Parteienrecht keine Ahnung zu haben - so wie auch jeder Pommesbuden-Betreiber die Hygieneverordnung kennen muss. Bei Verstößen schützt Unwissenheit nicht vor Strafe. Ein Kommentator nannte den Auftritt Meuthens vor Gericht zu Recht "dreist".

Auch Meuthens Versuch, die AfD als ein unerfahrenes, chaotisches "Startup-Unternehmen" darzustellen, für das im Parteienrecht Ausnahmen gelten müssten, lief vor Gericht ins Leere. In der Tat sieht das Parteienrecht keinen "Welpenschutz" vor. Zudem war die AfD 2016 längst nicht mehr im Welpenalter. Damals verfügte sie schon über eine jahrelang gewachsene Organisationsstruktur, die allein in Baden-Württemberg offiziell über 1,4 Millionen Euro für Wahlkampf ausgab.

Mit gesundem Menschenverstand wäre das nicht passiert

LobbyControl -
AfD-Chef Jörg Meuthen mit seinem Anwalt  von der Kanzlei Höcker am 9. Januar 2020 vor dem Berliner Verwaltungsgericht. Foto: LobbyControl

Weiterhin behauptete Meuthen, er habe das geldwerte Ausmaß der Unterstützung durch die Goal AG nicht gekannt und nicht einmal geahnt. Allerdings musste er vor Gericht erneut zugeben, dass er bereits vor dem Wahlkampf wusste, dass die Goal AG eine Webseite, Großplakate, Anzeigen und Flyer für ihn produzierte. Also eine ganze Wahlkampagne, die offensichtlich nicht aus einer Portokasse finanziert werden konnte. Zu Protokoll gab er auch, er habe niemanden in seiner Partei - auch nicht den zuständigen Schatzmeister - über die Wahlkampfhilfe informiert und Segert keinerlei Fragen zur Finanzierung gestellt. Rechtlich heißt das: Er hat nicht die bei Annahme einer Spende vorgeschriebene Prüfung der Dimension und Herkunft der Spende "durch einfache Nachfragen" veranlasst. Das aber wäre seine Pflicht gewesen, hielt das Gericht fest, und wegen dieser Pflichtverletzung steht er die für illegale Spende persönlich in der Verantwortung und Kritik.

Dabei hätte ihm mit etwas gesundem Menschenverstand klar sein müssen, dass diese Form der Wahlkampfhilfe nicht in Ordnung war. Nicht nur aus Sicht des Parteienrechts, sondern ganz grundsätzlich aus ethischer und demokratischer Perspektive. Denn es wurden Wahlplakate, Anzeigen und Flyer verbreitet, die wie AfD-Wahlwerbung aussahen, aber von Dritten finanziert wurden. Meuthens Kampagnen-Webseite erschien offiziell als Webseite des AfD-Kreisverbands Rems-Murr, wurde aber nicht von diesem erstellt und betrieben, sondern von der Goal AG. Die Wählerinnen und Wähler wurden so getäuscht. Sie konnten nicht erkennen, dass der Meuthen und die AfD von geheimen Dritten unterstützt wurden. Solche verdeckte Einflussnahme - zumal bei einer Partei, die gern öffentlich behauptete, keine Großspender zu haben - ist mit fairen, demokratischen Wahlen nicht vereinbar. Deshalb hätte Meuthen dieser Form der Unterstützung nie zustimmen dürfen. Dass er es trotzdem tat, lässt im Hinblick auf sein Verhältnis zu demokratischen Grundwerten tief blicken.

Argumentation der AfD abgeschmettert

Mit ihrer Klage versuchte die AfD zu erreichen, dass verdeckte Geldflüsse in Wahlkämpfe intransparent und straffrei bleiben können. Das widerspricht dem Sinn der Transparenzregeln des Parteienrechts, dem Ziel transparenter Wahlkämpfe und letztlich dem Grundgesetz (Art. 21). Überzeugende Argumente für ihr problematisches Anliegen brachte die AfD nicht vor. So bestritt sie erstens, dass Sachspenden als Parteispenden gelten könnten. Nachdem die Richterin ausgeführt hatte, dass dies im Gesetz eindeutig so bestimmt sei und sich die Rechtsprechung und gesamte Fachwelt darüber einig sei, bat sie den AfD-Anwalt noch einmal um Stellungnahme. Die kam kurz und prompt: "Das mag ja immer so gemacht worden sein, ist aber trotzdem falsch." Begründung: keine. Die AfD weigert sich also schlichtweg, die für alle Parteien geltenden gesetzlichen Regeln anzuerkennen? Für eine Partei, die sich Rechtsstaatlichkeit auf die Fahnen schreibt, ist das ein Armutszeugnis.

Eine zweite "Argumentation" der AfD zielte darauf, die Spende als Direktspende an Jörg Meuthen persönlich einzustufen. Die AfD habe davon nicht profitiert, weshalb sie keine Parteispende sei. Schon ein Blick auf die Plakate, die Goal damals schaltete, hätte ausreichen müssen, um einen solchen Gedanken gar nicht erst in eine Klageschrift aufzunehmen. Auf dem im Partei-Design gestalteten Material prangt nicht nur das Logo der Partei, sondern auch der unmissverständliche Wahlaufruf: "Jetzt AfD wählen". Der geldwerte Vorteil des Material liegt damit eindeutig (auch) bei der Partei - klarer Fall von Parteispende. Wäre es Meuthen tatsächlich nur um persönliche Unterstützung gegangen, hätte er bei seinem Freund Segert intervenieren und die Parteiwerbung verhindern müssen, betonte das Gericht. Doch Meuthen dachte beim Anblick der Plakate nach eigener Aussage nur: "Die hat der Alexander gemacht, nett vom Alexander", und ließ es dabei bewenden.

Parteispende, nicht Parallelaktion

Das Gericht wertete die Wahlkampfhilfe der Goal AG schließlich auch nicht als "Parallelaktion" eines von der Partei ganz unabhängig agierenden Dritten. Solche Parallelaktionen gelten nach Parteiengesetz und bisheriger Rechtsprechung nicht als Parteispende, sofern die Partei keinerlei Mitwirkungsmöglichkeit hatte. Im Fall Meuthen war diese Mitwirkungsmöglichkeit allerdings gegeben und durch Meuthen auch aktiv wahrgenommen worden - mit seinem kurzen Draht zu Segert, mit seiner mündlichen Zustimmung und seiner schriftlichen Übernahme von Verantwortung. Zudem standen seine Termine auf der von Goal erstellten Webseite. Das setzt enge Abstimmung zwischen ihm bzw. seinem Wahlkampfteam und der Goal AG voraus.

Screenshot www.archive.org -
Screenshot der Meuthen/Goal-Webseite von 2016 (Quelle: archive.org).

Strafrechtliches Nachspiel möglich - auch für Goal-Chef Segert

Meuthen selbst hat vor der Urteilsverkündung das Verfahren als "fair" bezeichnet. Dennoch wird die AfD aller Voraussicht nach gegen das Urteil in Berufung gehen. Der Schuss kann für sie allerdings noch weiter nach hinten los gehen. Denn im Berufungsverfahren könnte auch die Liste vermeintlicher Geldgeber für die Wahlkampfhilfe, die die AfD 2018 der Bundestagsverwaltung vorgelegt hatte, eine Rolle spielen. Für das Urteil gestern blieb diese Liste ohne Belang, da die Bundestagsverwaltung sie dem Gericht nicht vorgelegt hatte. Die Liste ist offensichtlich falsch - einige der darin genannten Personen wussten nicht, dass sie angeblich Geld gespendet hätten, andere sagten wiederum, ihnen sei Geld dafür geboten worden, sich als Strohleute zur Verfügung zu stellen.

Urheber der Liste ist der AfD zufolge Alexander Segert, Chef der Goal AG und Meuthens Freund. Die AfD weigerte sich, die Identität der Personen zu überprüfen - das übernahmen investigative Journalisten. Wenn die Liste gerichtlich als gefälschte Urkunde gewertet wird und damit als bewusster Versuch, die Herkunft von AfD-Einnahmen zu verschleiern, könnte dies für den einen oder anderen Verantwortlichen auch individuell strafrechtliche Folgen haben. Segert, Meuthen und AfD-Schatzmeister Klaus Fohrmann drohen dann Geld- und Freiheitsstrafen wegen Verstoß gegen §31d Parteiengesetz.

Die AfD will die Justiz noch viel beschäftigen

Die AfD hat bereits eine weitere Klage zum Fall Guido Reil eingereicht, die sich gegen einen Strafbescheid wegen verdeckter Wahlkampfhilfe der Goal AG im Landtagswahlkampf 2017 in NRW richtet. Im Fall Alice Weidel, bei dem es um 132.000 Euro illegale Strohmann-Spenden über eine Schweizer Pharma-Firma geht, haben die Bundestagsverwaltung eine Strafe über 396.000 Euro und die AfD eine Klage dagegen angekündigt.

Zugleich laufen noch zahlreiche Prüfverfahren der Bundestagsverwaltung sowie staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zu weiteren Vorgängen, die finanziell noch weitaus größere Dimension haben. Die Geldquellen für millionenschwere Wahlkampfhilfe eines Briefkasten-Vereins für die AfD bei mehreren Landtagswahlen und der Bundestagswahl sind immer noch unbekannt. Klar ist bisher nur, dass auch bei diesen Millionenspenden die Schweizer Goal AG der zentrale Akteur war - so wie im Fall Meuthen. Hier geht es nicht um Fehler aus Fahrlässigkeit, sondern um den systematischen Versucht, Geld an den rechtlichen Transparenzregeln vorbei zu mogeln.

Wir sehen drei Konsequenzen, die jetzt gezogen werden müssen:

  1. Jörg Meuthen sollte zurücktreten: Er trägt persönlich die Verantwortung für illegale Parteispenden, das ist nun gerichtlich bestätigt. Er war von Anfang an eingeweiht und hat lange versucht, die Vorgänge in der Öffentlichkeit zu vertuschen. Seine Ausreden sind wie ein Kartenhaus in sich zusammengestürzt.
  2. Die AfD-Führung insgesamt sollte aufhören, gegen die Transparenzregeln für Parteien zu kämpfen. Sie muss endlich Konsequenzen aus den Spendenskandalen ziehen, statt die Justiz sinnlos zu beschäftigen. Ein erster Schritt wäre, es mit dem heutigen Urteil bewenden zu lassen und auf Klagen in den Fällen Weidel und Reil zu verzichten. Nach dem aktuellen Urteil ist noch einmal klarer, dass die AfD auch in diesen Fällen wahrscheinlich verlieren wird.
  3. Die Parteien im Bundestag dürfen die längst überfällige Reform der Parteienfinanzierung nicht länger aufschieben. Um Verstößen vorzubeugen, Schlupflöcher zu schließen und die Aufklärung von Verstößen zu beschleunigen, braucht es Präzisierungen im Parteiengesetz, schärfere Sanktionen und deutlich mehr Befugnisse und Personal für die Prüfbehörde. Das gilt insbesondere im Hinblick auf Wahlwerbung durch Dritte, die ein Einfallstor für verdeckte Finanzierung und damit illegitime Wahlbeeinflussung darstellt. Die Goal AG hat versucht, genau dieses Schlupfloch zu nutzen. Im Fall Meuthen ist ihr das nicht gelungen. Aber die viel umfangreichere Wahlwerbung eines Briefkastenvereins für die AfD ist aufgrund dieser Lücke immer noch intransparent.

Millionenspenden geheimer Geldgeber haben den Einzug der AfD in die Parlamente gefördert, noch immer sind die Vorgänge weitgehend unaufgeklärt. Eine solche Manipulation des politischen Wettbewerbs ist für eine Demokratie unerträglich.

LobbyControl hat bei der Aufklärung des Falls eine wichtige Rolle gespielt: Unsere Recherchen und Hinweise an die Bundestagsverwaltung waren Teil der Prüfakte und wurden auch in der Verhandlung mehrmals thematisiert. Dass manche AfD-Anhänger uns deshalb nicht mögen, hält uns nicht davon ab, weiterhin unsere Arbeit zu machen: Verdeckter Finanzierung von Parteien gleich welcher Couleur nachzugehen, den Einfluss des großen Geldes auf Politik offenzulegen und an der Bekämpfung von Missständen mitzuwirken. Demokratie heißt, mit offenem Visier zu spielen und jeder Stimme gleiches Gewicht zu geben - ganz unabhängig vom Geldbeutel. Wenn Sie unsere Recherchen immer aktuell verfolgen wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

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