Lobbyismus in der EU

Lobbytransparenz: Das EU-Parlament muss Farbe bekennen

Es kann ein wichtiger Schritt in Sachen Lobbytransparenz werden: Das EU-Parlament stimmt am 31.1. darüber ab, ob Abgeordnete künftig Lobbytreffen veröffentlichen müssen. Aber die Abstimmung wird ein echter Krimi: viel steht auf dem Spiel, und der Ausgang ist völlig offen.
von 25. Januar 2019

Imke Dierßen und Nina Katzemich gemeinsam mit unseren Brüsseler Kollegen auf dem Balkon des ALTER-EU-Gebäudes im November 2018. Foto: ALTER-EU. von ALTER-EU

Es kann ein wichtiger Fortschritt in Sachen Lobbytransparenz werden: Das EU-Parlament stimmt am 31.1. darüber ab, ob Abgeordnete mit besonderen Funktionen künftig Lobbytreffen veröffentlichen müssen. Damit wäre die EU einmal mehr Mitgliedsstaaten wie Deutschland bei der Lobbyregulierung voraus. Doch die Abstimmung könnte zum Krimi werden: viel steht auf dem Spiel, und der Ausgang ist offen.

Macht das Parlament einen Schritt zu mehr Transparenz…

Konkret geht es um den Vorschlag, dass Ausschussvorsitzende und Berichterstatter in Zukunft ihre Lobbytreffen veröffentlichen sollen (wir haben bereits ausführlich berichtet). Berichterstatter haben eine sehr wichtige Aufgabe bei der Gesetzgebung: Sie müssen alle Änderungsvorschläge zu Gesetzentwürfen sammeln und Kompromisse aushandeln. Damit sind sie auch eine besonders interessante Zielscheibe für Lobbyisten, die versuchen, die Gesetzgebung im Sinne ihrer jeweiligen Auftraggeber zu beeinflussen. Viele Akteure in Brüssel blicken schon deshalb mit Spannung auf die Abstimmung.

…oder scheitert das neue EU-Lobbyregister?

Doch am Donnerstag steht noch mehr auf dem Spiel, als auf den ersten Blick scheint: Vor vier Jahren versprach die EU-Kommission, ein Lobbyregister für alle drei EU-Institutionen zu schaffen. Erstmals würde dann auch der Rat, das Gremium der Mitgliedsstaaten, Transparenzregeln unterworfen. Doch wenn es im EU-Parlament keine Mehrheit für einen Transparenzfortschritt gibt, scheitert auch das Lobbyregister. Es müsste mit einem neu gewählten Parlament komplett neu verhandelt werden – mit ungewissem Ausgang. Ein solches „Zurück auf Null“ wäre eine große Enttäuschung für alle, denen an der europäischen Demokratie liegt – und Wasser auf die Mühlen der EU-Gegner.

Eigentlich dürfte damit die Sache ein Selbstgänger sein – doch das ist sie keineswegs. 376 Stimmen, also die absolute Mehrheit des Parlaments, werden gebraucht. Die meisten kleineren Fraktion sind für den Vorschlag, aber die Fraktion der Konservativen ist bisher noch mehrheitlich dagegen. Und weder die Sozialdemokraten noch die Liberalen haben bisher Farbe bekannt.

Mit einem Nein würden CDU und SPD ihren Spitzenkandidaten in den Rücken fallen

Dabei würden sie mit einem Nein ihr Spitzenpersonal schwer beschädigen: Kommissionspräsident Juncker hatte das übergreifende Lobbyregister vor seinem Amtsantritt versprochen, und Vizepräsident Frans Timmermans, Spitzenkandidat der Sozialdemokraten für die kommende Europawahl, hat die langwierigen Verhandlungen dazu geführt. Der Vorschlag selbst stammt von einem Sozialdemokraten, aber auch der Spitzenkandidat der Konservativen, Manfred Weber (CSU) spricht sich in seiner Bewerbung für transparentere Entscheidungsprozesse aus (lesen Sie dazu auch unsere offenen Briefe an ihn und an den Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten, Udo Bullmann). Dass Webers Fraktion bisher blockiert und sich damit gegen ihren Vorsitzenden und gegen den Kommissionspräsidenten stellt, ist nicht nachvollziehbar – aber bisher ist es so. Dabei wäre die Abstimmung die Chance, den Worten endlich Taten folgen zu lassen.

CDU-Abgeordneter Wieland nennt den Vorschlag „Schwachsinn“ – ohne Begründung

Eine besondere Rolle spielt dabei der deutsche Abgeordnete Rainer Wieland. Er ist in der CDU zuständig für das Thema und hat seinen Fraktionskollegen ein Nein zu dem Vorschlag ans Herz gelegt. Rainer Wieland ist ein klarer Gegner von – nach seinem Dafürhalten „zuviel“ – Transparenz und hat den Vorschlag gegenüber netzpolitik.org sogar „Schwachsinn“ genannt. Wir haben nachgefragt, welche Gründe er dafür zu sehen meint, aber leider keine Antwort bekommen. Wieland ist seit Jahren für Transparenzthemen zuständig und bremst sie immer wieder in seiner Fraktion aus.

Geheime Abstimmung über Transparenz?

Immerhin steht er offen zu seiner Position, was man nicht von all seinen Fraktionskollegen behaupten kann: Jetzt hat ein ungarischer Abgeordneter vorgeschlagen, ausgerechnet über die Transparenz geheim abzustimmen. Wir könnten dann nicht sehen, wer für und wer gegen den Vorschlag gestimmt hat! Offenbar schwant manchen Konservativen, dass sie sich mit einem Nein unbeliebt bei den Wählerinnen und Wählern machen würden.

Aber: Während kleinere Fraktionen wie Grüne und Linke sowieso für den Vorschlag stimmen werden, gibt es auch bei Liberalen, Sozialdemokraten und Konservativen Abgeordnete, die für die Veröffentlichungspflicht sind. Das zeigt sich schon daran, dass der Vorschlag mit knapper Mehrheit durch den zuständigen Ausschuss kam –  zur Überraschung der Konservativen, die dachten, ihre Mehrheit dagegen würde stehen. Jetzt stimmt also das Parlament ab: Eine Chance, Wahlversprechen einzulösen und zu zeigen, dass Europa besser ist das das Zerrbild, das seine Gegner von ihm zeichnen.

Schreiben Sie Ihren Abgeordneten

Europa wird nur demokratischer und bürgernäher, wenn wir Bürgerinnen und Bürger uns dafür einsetzen. Lassen Sie die Abgeordneten der drei Fraktionen, an denen es nun hängt, wissen, dass Ihnen das Thema wichtig ist und sie ein Ja von ihnen erwarten! Sie können dies mit unseren vorbereiteten Email- und Twitter-Funktionen tun (eine gemeinsame Initiative mit Democracy International).

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