Lobbyregister

Friedbert Pflüger, Gas-Lobbyist mit Doppelrolle

Früher CDU-Politiker, heute Gas-Lobbyist: Friedbert Pflüger tritt seit seinem Ausscheiden aus der Politik vor einigen Jahren gerne als Wissenschaftler auf. Tatsächlich verdient er aber sein Geld als Lobbyist und Berater für diverse Unternehmen, darunter Nord Stream 2. Sein Fall zeigt, dass fehlende Transparenzregeln es Lobbyisten einfacher machen, in der Öffentlichkeit als scheinbar neutrale Experten aufzutreten und ihre Rolle als Lobbyist zu verschleiern.
von 26. Juli 2018

Früher CDU-Politiker, heute Gas-Lobbyist: Friedbert Pflüger tritt seit seinem Ausscheiden aus der Politik vor einigen Jahren gerne als Wissenschaftler auf. Tatsächlich verdient er aber sein Geld als Lobbyist und Berater für diverse Unternehmen, darunter Nord Stream 2. Sein Fall zeigt, dass fehlende Transparenzregeln es Lobbyisten einfacher machen, in der Öffentlichkeit als scheinbar neutrale Experten aufzutreten und ihre Rolle als Lobbyist zu verschleiern.

Friedbert Pflüger 2009 noch als Politiker, Quelle: Adleraugenblick, WikiCommons

Friedbert Pflüger 2009 noch als Politiker, Foto: Adleraugenblick/ „Friedbert Pflüger, August 2009„/  /WikiCommons, CC BY-SA 3.0 von Adleraugenblick Creative Commons Lizenzlogo

Friedbert Pflüger war früher ein aufstrebender CDU-Politiker, ein Außenpolitiker mit guten transatlantischen Verbindungen und zeitweise Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Nach verlorenen Machtkämpfen in der Berliner CDU verließ er 2010/11 die Politik. Wenn Pflüger heute öffentlich auftritt, steht in seiner Personenbeschreibung meist an erster Stelle, dass er Direktor des European Centre for Energy and Resource Security (EUCERS) am renommierten Londoner King’s College ist. Dabei handelt es sich um einen unbezahlten Posten. Geld verdient Pflüger dagegen mit der Lobby- und Beratungsfirma Pflüger International GmbH, die er 2009 gründete (bis 2011 noch als „Pflüger und Stuth. Internationale Beratung Berlin GmbH“). Daneben ist er Berater bei Roland Berger und an weiteren Firmen beteiligt.

Doppelrolle bei Nord Stream 2

Ein Schwerpunkt von Pflüger International ist die Energiebranche – dabei überlappen sich die Tätigkeiten der Firma und des EUCERS-Instituts vielfach, was Fragen von Interessenkonflikten und Transparenz aufwirft. Ein Beispiel ist die kontrovers diskutierte Pipeline Nord Stream 2, durch die zukünftig russisches Erdgas nach West-Europa fließen soll (zu den Kontroversen und Interessen dahinter siehe Exkurs unten).

Friedbert Pflüger setzte sich in seiner Rolle als EUCERS-Direktor bei Veranstaltungen oder in Medienstatements vielfach für Nord Stream 2 ein. Das Institut veröffentlichte im Juli 2016 mit dem Russia Institut des King’s College eine Studie zu der Pipeline. Sie wurde von westlichen Energiekonzernen finanziert, die als Finanzinvestoren an dem Projekt beteiligt sind: Shell, OMV, Wintershall, Uniper (früher E.ON) und Engie.

Zugleich hat Friedbert Pflüger mit Pflüger International seit Mai 2016 ein Auftragsverhältnis mit Nord Stream 2. Er berät nach eigener Aussage das Unternehmen bei der Analyse der Energiemärkte und der „strategischen Ausrichtung“. 2017 beauftragte zudem Uniper Pflüger International mit der Organisation verschiedener Veranstaltungen. Dazu gehörte eine Diskussionsveranstaltung zur „Europäischen Energie-Partnerschaft mit Russland“ mit gegenüber Nord Stream 2 eher kritisch eingestellten Europa-Abgeordneten (März 2017).

Fehlende Transparenz

Die Auftragsverhältnisse zu Nord Stream 2 und den daran beteiligten Energiefirmen wurden erst durch Medienberichte und LobbyControl-Recherchen öffentlich. Wenn Pflüger in seiner EUCERS-Rolle für Nord Stream 2 auftrat, blieb seine Rolle als Berater und Lobbyist für das Pipeline-Projekt über Pflüger International vielfach unbekannt. Auf LobbyControl-Nachfrage wies Pflüger den Vorwurf fehlender Transparenz zurück: „EUCERS und Pflüger International werden strikt getrennt. EUCERS weist auf seiner Homepage aus, dass sein (nicht bezahlter) Direktor als Unternehmensberater tätig ist.“

Diese Antwort ist unzureichend. Selbst bei einer Trennung entsteht durch das Mandat für Pflüger International ein kommerzielles Interesse Pflügers an dem Thema Nord Stream 2. Dieses Interesse müsste offen gelegt werden. Ein Verweis auf die EUCERS-Webseite reicht nicht. Dort steht auch nur, dass Pflüger als Berater tätig ist, aber nicht für wen.

Vermischte Rollen

LobbyControl-Recherchen zeigen zudem, dass die Trennung von EUCERS und Pflüger International keineswegs so strikt ist, wie behauptet. Tatsächlich gibt es viele Überschneidungen zwischen Pflügers Rolle bei EUCERS und seiner Tätigkeit als Lobbyist und Berater.

So versuchte Pflüger 2016 den EU-Kommissar Maroš Šefčovič für eine Veranstaltung zum Thema Nord Stream 2 zu gewinnen. Als Vizepräsident der EU-Kommission ist Šefčovič für die Energie-Union zuständig. Zunächst lud Pflüger ihn im Namen von Pflüger International ein. Später erfolgte eine Einladung zu einer EUCERS-Veranstaltung mit Nord Stream 2-Bezug. Beides kann als Teil des Versuches gesehen werden, einen Gesprächstermin mit Šefčovič zu Nord Stream 2 zu erreichen.

2017 fragte Friedbert Pflüger den EU-Kommisar für Klimaschutz und Energie, Miguel Arias Cañete, für ein Energiesymposium an. Die Einladung kam von Pflüger International. Im Programm der Veranstaltung erschien Pflüger dann aber als EUCERS-Vertreter. Als Redner saß Klaus Schäfer von Uniper auf dem Panel, das Cañete mit einer Keynote eröffnete. Für Uniper war Pflüger International 2017 als Lobbydienstleister aktiv. Zu der Veranstaltung war auch Matthias Warnig von Nord Stream 2 eingeladen. Als zweiter EU-Kommissar war Günther Oettinger anwesend, bis 2014 selbst Energiekommissar und früher mit Pflüger Teil des Andenpakts in der CDU.

Die Vermischung geht so weit, dass selbst Mitarbeiter von Pflüger International in Berichten über Lobbyveranstaltungen ihren Chef in seiner EUCERS-Rolle darstellen (pdf, S. 13) – selbst wenn die Veranstaltung von Pflüger International organisiert wurde. Strikte Trennung sieht anders aus.

Der Nutzen der Wissenschaft

Unsere Recherchen zeigen, dass es enge Verbindungen zwischen den beiden Rollen Pflügers gibt und die Rollen teilweise verwischen. Über die Position des Direktors von EUCERS pflegt Pflüger ein öffentliches Bild als Wissenschaftler. Selbst wenn er sein Geld als Lobbyist und Berater verdient. Zugleich macht EUCERS Studien für Unternehmen und Lobbyorganisationen, die teilweise auch Kunden seiner Beratungs- und Lobbyfirma sind. Denn das Institut hängt von externen Sponsoren ab. Vom King’s College bekommt EUCERS nur einen Arbeitsplatz und Räumlichkeiten gestellt. Die restliche Finanzierung stammt aus Drittmitteln („third party funding“). Selbst die einzige EUCERS-Stelle, eine ehemalige Mitarbeiterin von Pflüger International und heute Operations Coordinator für EUCERS in Teilzeit, wird durch Drittmittel finanziert.

Dabei kommen viele Sponsoren aus der Energiebranche, dazu gehören etwa Alstom, bp, die RWE-Tochter npower oder das Pipeline-Projekt TAP (aus Aserbaidschan nach Europa). Soweit das bisher bekannt ist, gab es dabei wiederholt Überschneidungen von EUCERS-Sponsoren und Pflüger International-Kunden. In einer ersten Stellungnahme hatte EUCERS solche Überschneidungen im Juni abgestritten. Aber es gibt klare Gegenbeispiele, neben dem Nord Stream-Beispiel etwa die Central European Energy Partners (CEEP) oder die Lobbyorganisation der Gasbranche „Zukunft Erdgas“. Auf Nachfrage behauptete EUCERS dann, sie hätten von keiner Überschneidung gewusst, weil sie nicht alle Kunden von Pflüger International kennen würden. Pflüger selbst hatte auf die Frage, welche EUCERS-Sponsoren auch Kunden von Pflüger International nur geantwortet, dass über die Geschäftsbeziehungen von Pflüger International keine Auskünfte erteilt werden.

Update vom 31.7.2018: CEEP hat als Reaktion auf unsere Recherche und die Veröffentlichung im Guardian eine Stellungnahme veröffentlicht, dass sie die Zusammenarbeit mit Pflüger International Ende 2016 eingestellt hätten und Nord Stream 2 kritisch gegenüber stehen.

Ohne Transparenzverpflichtungen kein umfassendes Bild

Der Fall Pflüger zeigt erneut, dass fehlende Transparenzpflichten für Lobbyisten in Deutschland es Lobbyisten einfacher machen, in der Öffentlichkeit als scheinbar neutrale Experten aufzutreten und ihre Rolle als Lobbyisten und die Verbindungen zu Unternehmen oder Verbänden zu verschleiern.

Die mangelnde Transparenz führt dazu, dass bei brisanten Projekten wie Nord Stream 2 nur einzelne Personen wie Gerhard Schröder im Fokus stehen, aber nicht das gesamte Lobby-Netzwerk mitsamt den ehemaligen Politikern verschiedener Parteien. Bereits im November hatten wir darüber berichtet, dass der ehemalige FDP-Politiker Frank Elbe an Lobbyarbeit für das umstrittene Pipeline-Projekt Nord Stream 2 beteiligt ist. Das legt eine E-Mail nahe, die dem Guardian zugespielt wurde. Der ehemalige Botschafter und Büroleiter von FDP-Urgestein Genscher dürfte in der FDP gut vernetzt sein. U.a. arbeitet er mit der Kanzlei von Wolfgang Kubicki zusammen.

Das Beispiel Nord Stream 2 zeigt, dass wir bei wichtigen und umstrittenen Projekten meist von einer ganzen Reihe von beauftragten Lobbyisten und Beratern ausgehen können. Aber weil es in Deutschland kein Lobbyregister gibt, bleibt das Bild für die Öffentlichkeit und zum Teil auch für die Politik selbst häufig unvollständig. Ehemalige Politiker und andere Experten können im Dienst von Lobby-Interessen stehen und zugleich als quasi-neutrale Stimmen in der Öffentlichkeit wirken, weil ihre Verbindungen unbekannt bleiben. Dieser Zustand muss sich endlich ändern. Das gilt auch für die Lobbyarbeit von Gegenspielern wie dem ukrainischen Energieriesen Naftogaz, der durch Nord Stream 2 rund zwei Milliarden Euro Durchleitungsgebühren pro Jahr verlieren würde und laut SZ ebenfalls in Brüssel aktiv ist. Oder Organisationen wie „Fair Energy“, die sich als „unabhängiger Think Tank“ bezeichneten und gegen die das Corporate Europe Observatory Beschwerde wegen Verstößen gegen EU-Transparenzpflichten eingereicht hat (pdf).

Eintrag ins EU-Lobbyregister: spät und dürftig.

In der EU gibt es zwar freiwillige Transparenzverpflichtungen, aber auch hier zeigt der Fall Pflüger Defizite. Pflüger registrierte sich lange nicht. Erst im Januar 2018 trug er sich im Register ein. Dabei ist der Eintrag aber aus mehreren Gründen lückenhaft und fragwürdig: Pflüger gibt für das genannte Finanzjahr 2016 nur 4.000 Euro Lobby-Ausgaben an. Kunden nennt er gar keine. Dabei fragte er 2016 mehrfach Vertreter der EU-Kommission für Lobby-Veranstaltungen an. Die dazugehörigen Kunden oder Finanziers hätte er nennen müssen, selbst wenn es um kleine Budgets geht. Die Internet Economy Foundation (IEF), die von Pflüger International als strategische Lobby-Allianz betrieben wird, hat sich Ende 2017 separat registriert. Das war ein Jahr nach der Gründung. Es gibt keine Verbindung zwischen den beiden Register-Einträgen. Das ist fragwürdig, eigentlich sollte die IEF auch im Eintrag von Pflüger International erwähnt werden.

Während das EU-Transparenzregister gerade überarbeitet wird, scheiterte ein Lobbyregister in Deutschland am Ende der Koalitionsverhandlungen Anfang des Jahres. Dabei wäre mehr Transparenz dringend geboten.

Exkurs Nord Stream 2: Im Fokus widerstreitender Interessen
Dabei sind viele Interessen im Spiel. Russland und Gazprom haben Interesse am direkten Zugang zum europäischen Markt, die deutschen und europäischen Energiekonzerne wollen mehr (und billiges) Gas. Kritiker fürchten dagegen eine große Abhängigkeit von russischem Gas und eine stärkere Machtposition Russlands gegenüber der Ukraine und Polen. Nord Stream 2 führt an diesen Ländern vorbei, die bisher Transitländer für russisches Gas sind. Widerstand gibt es auch von Umwelt- und Klimaschützern: sie bemängeln, dass die Pipeline die Versorgung mit fossilen Energien für Jahrzehnte zementiere. Die USA sehen die Pipeline ebenfalls kritisch: einerseits aus geopolitischen Gründen, aber auch aus ökonomischen Interessen. Sie wollen selbst Flüssiggas nach Europa verkaufen (zu den Konflikten mit den USA siehe u.a. einen Panorama-Beitrag von Mai 2018).

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