Aus der Lobbywelt

Wein von der Waffenlobby

Was passiert hinter den Kulissen von Parlament und Ministerien und wie groß ist der Einfluss der Wirtschaft wirklich? Darüber diskutierte unsere Kollegin Christina Deckwirth am Montag bei „Spiegel Live“ mit einer Grünen-Abgeordneten und einem Lobbyisten. Der deutete an, dass er sich für ein Lobbyregister einsetzen könnte. Falls ihn jemand dafür bezahlt.
von 8. März 2018

Was passiert hinter den Kulissen von Parlament und Ministerien und wie groß ist der Einfluss der Wirtschaft wirklich? Darüber diskutierte unsere Kollegin Christina Deckwirth am Montag bei „Spiegel Live“ mit einer Grünen-Abgeordneten und einem Lobbyisten. Der polarisierte mit ein paar Aussagen – und deutete an, dass er sich für ein Lobbyregister einsetzen könnte. Falls ihn jemand dafür bezahlt. 

Das Thema Lobbyismus polarisiert. Das erleben wir als Lobbycontrol sehr häufig. Und so war es teilweise auch am Montagabend im Clärchens Ballhaus in Berlin. Moderiert von Spiegel-Redakteur Sven Becker diskutierte unsere Kollegin Christina Deckwirth mit der Grünen-Bundestagsabgeordneten Agnieszka Brugger und Andreas Geiger, Lobbyist bei der Agentur Alber&Geiger, bei  einer „Spiegel Live“-Veranstaltung über das Thema „Lobbyismus – die fünfte Gewalt“.

Und der Lobbyist schmiss ein paar durchaus polarisierende Thesen in den Raum. Es begann mit der gönnerhaften Aussage, er widerspreche prinzipiell keiner Frau und werde auch „den zwei Damen heute Abend nicht widersprechen“ (er tat es dann natürlich doch, dazu später mehr) –  und gipfelte in der Verteidigung seiner Kunden (u.a. ein umstrittener ukrainischer Ex-Regierungschef, die Tabak- und Glücksspielindustrie). Da sagte der gelernte Anwalt Geiger: „Natürlich hat jeder Mensch, auch wenn er einen Mord begangen hat, das Recht, vertreten zu werden.“

Davon abgesehen gab es am Montag aber auch Erhellendes zu hören. Es war ein kleiner Parforceritt durch die Themenwelt des Lobbyismus, den Sven Becker im prall gefüllten Clärchens-Ballhaus-Spiegelsaal moderierte. Es ging um Interessenkonflikte von Abgeordneten, die Probleme der Parteienfinanzierung, den Drehtüreffekt und die Probleme von intransparentem Lobbyismus.

Doppelter Umsatz dank Lobbyregister?

In letzterem Punkt waren sich Geiger, Brugger und Deckwirth einig. Klar, Lobbyismus und Interessenvertretung gehören zur Demokratie. Aber es müsse eben transparenter sein. So kritisierte Geiger, dass Deutschland in diesem Punkt der EU und vor allem den USA hinterherhinke. „In Berlin sind wir nicht so weit weg von der Bonner Hinterzimmerpolitik.“ Dies sei kontraproduktiv und begünstige Verschwörungstheorien. Ein Lobbyregister befürwortet Geiger deshalb ausdrücklich. „Jedes Lobbyregister schmeißt die schwarzen Schafe vom Markt und verdoppelt damit unseren Umsatz.“  Auf die Nachfrage aus dem Publikum, ob er Lobbycontrol  und abgeordnetenwatch als Lobbyist beraten würde, wie sie ihre Forderung nach einem Lobbyregister durchsetzen könnten, sagte Geiger nur: „Umsonst mache ich es nicht.“

Allein stand der Lobbyist dagegen beim Thema Machtungleichgewichte. Während Brugger, Becker und Deckwirth finanzkräftige Akteure durch Parteispenden, Sponsoring oder das Einkaufen von Ex-Politikern als Lobbyisten im Vorteil sehen, widersprach der Lobbyist. Klar, Unternehmen könnten sich mehr Politiker und damit wichtige persönliche Kontakte einkaufen. Aber viele NGOs hätten inzwischen ein so großes Ansehen, dass die Politik sie nicht einfach mehr übersehen können.

Gute Lobbyisten sind höflich

„Wenn sie Gelsenwasser sind, werden sie ohne Gunda Röstel nicht gehört. Das Problem hat Greenpeace nicht“, sagte Geiger mit Verweis auf den Seitenwechsel der Ex-Grünen-Bundessprecherin Gunda Röstel zum Wasser- und Energieversorger Gelsenwasser im Jahr 2000. Womit Geiger aber eigentlich nur bestätigte, dass Geld im Lobbygeschäft Argumente oder Glaubwürdigkeit eben doch aufwiegen kann.

Zu welchen interessanten Strategien Lobbyisten mitunter greifen, darüber konnte die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Agnieszka Brugger einiges berichten. Sie habe schon mal Nudeln in Zahnform geschenkt bekommen oder eine Flasche Wein vom Waffenhersteller Rheinmetall (die sie aber postwendend zurückschickte). Doch so plump laufe es meistens nicht, so Brugger. „Die guten Lobbyisten sind höflich, charmant und selbstironisch.“

Die Rüstungslobby und der Koalitionsvertrag

Und immer wieder erfolgreich. Als „krass“ bezeichnete die Politikerin den Einfluss der Rüstungslobby auf den aktuellen Koalitionsvertrag, mit dem die Bundesregierung „durch die Hintertür“ Rüstungslieferungen an Länder wie Saudi-Arabien ermöglicht habe. Sie spielte damit auf einen Passus im Koalitionsvertrag von Union und SPD an,  wonach es keine Rüstungsexporte mehr an Länder geben soll, die „unmittelbar“ am Krieg in Jemen beteiligt sind. Das Wort „unmittelbar“ sowie eine Ausnahmeregelung für bereits genehmigte Lieferungen, die im Empfängerland verbleiben, ist jedoch erst nach den Sondierungsergebnissen der GroKo in den Vertrag gerutscht.

Brugger kritisierte, dass sich die SPD-Vize Manuela Schwesig persönlich für die Lieferung von Patrouillenbooten an Saudi-Arabien eingesetzt habe.  Die werden im vorpommerschen Wolgast hergestellt. Schwesig ist Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns.

Das wussten die Lobbyisten wahrscheinlich auch.

Hinweis: Spiegel-TV hat einen kurzen Beitrag zur Veranstaltung gemacht, nachzusehen hier.

Foto: Screenshot Spiegel TV

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