Lobbyismus in der EU

Lobbytransparenz in Brüssel? Sozialdemokraten als Zünglein an der Waage

Wird es in Brüssel bald ein aussagekräftiges Lobbyregister geben? Der Ball liegt jetzt bei Rat und EU-Parlament. Aber während die deutsche Bundesregierung im Rat bremst, drucksen die Abgeordneten im Parlament herum. Die Sozialdemokraten sind das Zünglein an der Waage.
von 6. Juni 2017

Wird es in Brüssel bald ein aussagekräftiges Lobbyregister geben? Rat und EU-Parlament spielen jetzt eine entscheidende Rolle bei dieser Frage. Aber während die deutsche Bundesregierung im Rat bremst, drucksen die Abgeordneten im Parlament herum. Die Sozialdemokraten sind das Zünglein an der Waage, in der Bundesregierung und im Europäischen Parlament.

Verweigerungshaltung des EU-Parlaments

Heute tagt die zuständige “Kontaktgruppe” des EU-Parlaments das letzte Mal. Bisher ist ihr Verhandlungsmandat eine riesige Enttäuschung: Während sie bedeutsame Zugeständnisse von den anderen Institutionen verlangt, fällt ihr eigener Beitrag ziemlich schwach aus.

Nochmal zur Erinnerung: Ein Lobbyregister mit gesetzlicher Grundlage, das rechtlich bindend für die Lobbyisten wäre, hält die EU-Kommission für derzeit nicht machbar. Sie hat im September 2016 eine “anreizbasierte” institutionelle Vereinbarung vorgeschlagen. Damit dieser weiche Ansatz einigermaßen verpflichtend auf die Lobbyisten wirkt, müssen alle Institutionen starke Anreize für die Lobbyisten einführen, sich zu registrieren. Und genau dagegen verweigert sich derzeit das EU-Parlament.

EU-Abgeordnete und Transparenzregister: Zu “frei” zur Rechenschaft?

LobbyControl berichtete bereits: Ein grundsätzliches Verbot, unregistrierte Lobbyisten zu treffen – wie die EU-Kommission es für die Kommissar/innen und bestimmte hochrangige Beamte vorgemacht hat – lehnen viele EU-Abgeordnete für sich ab: Sie argumentieren, es verstoße gegen das Prinzip des freien Mandats. Dieses Prinzip garantiert den Abgeordneten die Unabhängigkeit von Weisungen durch ihre Wähler oder ihre Parteien. Ein Rechtsgutachten des Parlaments dazu soll folgen. Die Grünen im Europäischen Parlament haben nun ein eigenes Rechtsgutachten vorgelegt, das zu einem anderen Ergebnis kommt.

Aber auch wenn das Parlament hier nicht zu einem Kompromiss kommt, gäbe es viele Alternativen. Die Parlamentarier/innen könnten sich etwa zu Transparenz über ihre Treffen mit Lobbyisten verpflichten, wie es einige EU-Abgeordnete längst tun. Dann könnte die Öffentlichkeit sich selbst ein Bild darüber machen, wer sich mit wem trifft. Angesichts der großen Distanz zwischen EU-Institutionen und BürgerInnen könnte dies ein mutiger Schritt sein. Leider wird auch dieser von vielen Abgeordneten abgelehnt, und zwar von der gesamten Gruppe der mitte-konservativen Parteien (der die CDU angehört), von den Liberalen und einem Teil der Sozialdemokraten. Würden letztere zustimmen, könnten sie dieser Art der Transparenz eine Mehrheit verschaffen. Leider gehört aber offenbar die Führungsriege der europäischen Sozialdemokraten zu den Widersachern von Transparenz.

Wo bleibt der Druck der SPD für ein effektives EU-Lobbyregister?

Wirklich ärgerlich ist, dass bei dem heutigen Treffen Liberale, Mitte-Konservative und Sozialdemokraten offenbar selbst relativ simple Kompromisse aussitzen wollen: Zum Beispiel, unregistrierten Lobbyisten die Teilnahme an so genannten “Intergroups”, Diskussionsforen zwischen Abgeordneten und Interessenvertretern, zu verbieten; oder zunächst nur eine Veröffentlichungspflicht von Treffen für parlamentarische Berichterstatter und Ausschussvorsitzende vorzusehen. Hier sehen wir die Sozialdemokraten in der Pflicht: Bei der Wahl zum europäischen Parlament haben zahlreiche deutsche SPD-Abgeordnete unterschrieben, sich für transparente EU-Institutionen einzusetzen. In Deutschland will die SPD sich für ein Lobbyregister stark machen. Wie sollen wir all dies glauben, wenn wir nicht sehen, wie die SPD-Abgeordneten in Brüssel Druck für ein wirksames Lobbyregister machen? Wir erwarten hier ihr Engagement!

Deutschland bremst im Rat

Auch was die Teilnahme des Rats der Europäischen Union am Lobbyregister betrifft, kann und muss die SPD entscheidenden politischen Einfluss nehmen. Hier geht es um die Frage, welche Einrichtungen des Rats sich beteiligen müssten. Deutschland und sechs weitere Mitgliedstaaten blockieren offenbar im Rat die Teilnahme der nationalen Vertretungen in Brüssel am Lobbyregister. Diese Vertretungen sind die Stimme der Mitgliedstaaten in der EU, die über das politische Alltagsgeschäft bestimmen. LobbyControl berichtete bereits vor einem Jahr, wie intransparent die Arbeit dieser so genannten „ständigen Vertretungen“ ist.

Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung sträuben sich die deutschen Diplomaten in Brüssel auf Weisung des Auswärtigen Amts dagegen, dass öffentlich werden könnte, welche Lobbyisten sich mit ihren Diplomaten in Brüssel treffen und somit deren Politik beeinflussen können. Ausgerechnet ein SPD-geführtes Ministerium verhindert, dass die intransparenteste EU-Institution, der Rat, endlich durchschaubarer wird und die Öffentlichkeit sehen kann, wer die deutsche Position in Brüssel beeinflusst? Das wäre eine große Enttäuschung. Wir erwarten von der SPD, dass ihre Bekenntnisse zu mehr Lobbytransparenz keine leeren Wahlkampfversprechen bleiben  und sie sich in der Bundesregierung nachhaltig dafür einsetzt, dass Deutschland eine positive Führungsrolle im Prozess um das EU-Lobbyregister einnimmt. Sowohl die ständigen Vertretungen als auch die Arbeitsgruppen des Rats und die Ratspräsidentschaften müssen teilnehmen. Nur so können wir einen Eindruck gewinnen, wer in Brüssel über die Mitgliedstaaten wirklich Einfluss nimmt.

Hier finden Sie das geleakte Verhandlungsmandat.

Bild: ALTER-EU

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