Parteienfinanzierung

Parteispendensumpf: SPD-Oberbürgermeister verhaftet

Dramatische Entwicklung in der Regensburger SPD-Parteispendenaffäre: Heute wurde Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) verhaftet. Festgenommen wurden ebenfalls der Bauunternehmer Volker Tretzel sowie der technische Leiter der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, der den verdeckten Spendenfluss organisiert haben soll. Nach Angaben des Städtetags ist dies das erste Mal, dass in Deutschland ein amtierender Großstadt-OB dem Haftrichter vorgeführt wird. Aus dem […]
von 18. Januar 2017

Dramatische Entwicklung in der Regensburger SPD-Parteispendenaffäre: Heute wurde Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) verhaftet. Festgenommen wurden ebenfalls der Bauunternehmer Volker Tretzel sowie der technische Leiter der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, der den verdeckten Spendenfluss organisiert haben soll. Nach Angaben des Städtetags ist dies das erste Mal, dass in Deutschland ein amtierender Großstadt-OB dem Haftrichter vorgeführt wird.

Regensburgs Oberbürgermeister Joachim Wolbergs

Regensburgs OB Wolbergs bei seiner Neujahrsansprache am 13.1.2017 (Foto: Youtube/Stadt Regensburg)

Aus dem Umfeld von drei Immobilienunternehmen waren Wolbergs‘ SPD-Ortsverein im OB-Wahlkampf über eine halbe Million Euro und der örtlichen CSU rund 90.000 Euro zugekommen. Laut Staatsanwaltschaft besteht der Verdacht, dass Mitarbeiter eines Bauunternehmens privat spendeten und anschließend das Geld von ihrem Arbeitgeber als Gehaltszuschlag zurückerhielten. Durch dieses Strohleute-System wurde verhindert, dass der Geldfluss öffentlich bekannt wurde.

Die Ermittlungen beziehen sich nicht nur auf die Geldflüsse, sondern auch auf die Vergabe lukrativer Bauvorhaben und Posten mit denen die Firmen, Mitarbeiter und auch Ex-Oberbürgermeister Schaidinger (CSU) offenbar bedacht wurden. Zusätzlich läuft ein Prüfverfahren der Bundestagsverwaltung, in dem der SPD hohe Strafzahlungen drohen.

Eine Wurzel des Übels steckt im Parteiengesetz

Fälle wie dieser sind nur möglich, weil die Transparenzschwellen für Parteispenden viel zu hoch sind. Erst ab 10.000 Euro werden sie – mit rund anderthalb Jahren Verzögerung – in den Rechenschaftsberichten der Parteien veröffentlicht. Alle Spenden unterhalb dieser Größenordnung bleiben für die Öffentlichkeit anonym. Dies ermöglicht es, selbst riesige Beträge zu stückeln und von verschiedenen Strohleuten überweisen zu lassen – unbemerkt von der Öffentlichkeit.

Der Regensburger Sumpf kam nur ans Tageslicht, weil der bayrische SPD-Schatzmeister Thomas Goger zufällig im Hauptberuf Staatsanwalt ist – und zugleich den kleinen Ortsverein, der plötzlich in Spenden schwamm, noch aus seiner Studienzeit kennt. Goger war stutzig geworden, als er wegen einer ungewöhnlichen Kreditvergabe Wolbergs an die Partei die Regensburger Finanzen unter die Lupe nahm.

Schon aus Gründen der Korruptionsbekämpfung muss die Veröffentlichungsschwelle für Parteispenden dringend abgesenkt werden. Denn nur bei niedrigen Schwellen wird die Organisierung verdeckter Geldflüsse zu aufwendig oder auch ganz unmöglich. Schon seit Jahren fordert LobbyControl, dass Parteispenden bereits ab 2.000 Euro namentlich bekannt werden und ab 10.000 Euro unverzüglich veröffentlicht werden müssen.

Spendenstückeln hat Tradition

Doch die Politik bleibt bisher untätig. Dabei wurde schon 2011 ein ähnlicher Vorgang bekannt: Der Spielautomaten-Unternehmer Paul Gauselmann hatte über 20 Jahre lang regelmäßig Bündel von Spendenschecks seiner leitenden Angestellten an Abgeordnete verschickt. Die Einzelspenden erfolgten auf Anweisung des Firmenchefs, lagen jeweils unter der Veröffentlichungsschwelle und summierten sich jährlich auf 50.000 und 70.000 Euro. Insgesamt flossen so mehr als eine Million Euro verdeckt an Union, SPD, FDP und Grüne. Ziel der Spenden war es, in der Politik „Verständnis“ der Belange der Spielautomatenbranche zu schaffen, etwa „um nach der Wahl die SpielV(erordnung) auf den Weg zu bringen“, wie es in einem internen Aktenvermerk hieß. Mit Erfolg: Nach der Bundestagswahl 2005 wurde die Spielverordnung im Sinne Gauselmanns geändert. (Mehr dazu in der Lobbypedia)

Nach geltendem Recht wären die Zuwendungen nur zu beanstanden, wenn Gauselmann seinen leitenden Angestellten das Geld zurück erstattet hätte. Dafür fand die Bielefelder Staatsanwaltschaft bei der Durchsuchung der Gauselmann-Büros jedoch keine Belege. Dies ist im Fall Regensburg offenbar anders.

Auch in Berlin gestückelte Bau-Spenden an SPD und CDU

Auch im Berliner Wahlkampf 2016 erhielten SPD und CDU Wahlkampfspenden eines Bauunternehmers, die offensichtlich gestückelt waren, um eine Veröffentlichung zu vermeiden. Während der SPD-Landesverband zwei dieser Spenden wegen Verstoßes gegen das Parteiengesetz zurückwies, hielt der damalige Bausenator Andreas Geisel (jetzt Innensenator) an der ihm zugedachten Spende fest. Auch Geisel stand in der Kritik, dem Spender gefällig gewesen zu sein, indem er Planungsverfahren für umstrittene Bauvorhaben an sich zog und Bürgerbegehren aushebelte. Es kam jedoch zu keinen Ermittlungen. Und erst vor drei Monaten machten verdeckte Spenden des Geheimagenten Werner Mauss an die CDU Schlagzeilen – auch sie blieben stets knapp unter der Offenlegungsschwelle und wurden nur durch Zufall bekannt.

Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode. Wie viele Stückel-Spenden werden im kommenden Bundestagswahlkampf fließen? Und in Erwartung welcher Gegenleistungen? Die GroKo hat es in der Hand, den korruptionsbegünstigenden „Schleier des Nichtwissens“ durch eine Transparenzreform des Parteiengesetzes noch rechtzeitig zu lüften.

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