Parteienfinanzierung

Warum die dubiose AfD-Wahlkampfhilfe unaufgeklärt bleibt – und was sich ändern muss

Die AfD profitiert in diesem Jahr von anonymer Wahlkampfhilfe im Wert von über einer Million Euro. Der Verdacht: Illegale Parteienfinanzierung. Die Prüfung durch die Bundestagsverwaltung verläuft jedoch im Sande. Wir erklären, warum das so ist und was sich rechtlich ändern muss, damit das Parteiengesetz nicht weiter zur Lachnummer wird.
von 5. September 2016

Vor den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin warben und werben zahlreiche Großplakate und eine fast flächendeckend an die Haushalte verteilte Wahlkampfzeitung für die AfD. Dasselbe geschah schon im März vor den Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Und auch Internetnutzer werden derzeit mit Werbespots konfrontiert, die zur Wahl der AfD aufrufen. Als Auftraggeber der Materialschlacht im Wert von über einer Million Euro firmiert jedoch nicht die Partei selbst, sondern ein vermeintlicher „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“, der bisher weder im Vereinsregister eingetragen noch durch andere Aktivitäten in Erscheinung getreten ist. Der Verdacht: verdeckte, illegale Parteienfinanzierung in großem Stil durch eine sogenannte „Spendenwaschanlage“. Zu dem im März von der Bundestagsverwaltung begonnenen Prüfverfahren ist deshalb ein zweites hinzugekommen. Doch auch diese „Prüfung“ wird aller Voraussicht nach im Sande verlaufen – obwohl sich die Indizien verdichten.

Briefkastenfirma als „Spendenwaschanlage“

Das "Extrablatt" wirbt in Wahlkämpfen für die AfD

Wahlwerbung für die AfD: 90 % Reichweite, 100 % anonym finanziert. Foto: abgeordnetenwatch.de

Recherchen des MDR, der F.A.Z.  und des NDR haben ergeben, dass es sich bei dem „Verein“ um eine Briefkastenfirma handelt. Ihre einzige erkennbare Aktivität ist die Organisation der Wahlkampfmaßnahmen – und das Einsammeln der dafür benötigten Geldmittel von anonym bleibenden Gebern.

Wie die F.A.Z berichtet, wechselte die Postanschrift des „Vereins“ im Lauf des Sommers von Leipzig nach Stuttgart, ebenso der Name des auf der kargen Internetseite genannten Verantwortlichen. Handelte es sich ursprünglich um das AfD-Mitglied Josef Konrad, wird dort jetzt der in der rechtsextremen Szene vernetzte Michael Paulwitz genannt. Er ist noch weniger auskunftsbereit hinsichtlich der Herkunft des Geldes als sein Vorgänger – und verweigert jegliches Gespräch. Von wem das Geld wirklich stammt, bleibt im Dunkeln. Ein Dutzend Millionäre, Neonazis, ein ausländischer Geheimdienst – im Internet finden sich verschiedene Theorien, die jedoch alle nur Spekulation bleiben.

Hätte der „Verein“ dieses Geld direkt an die AfD überwiesen, wäre dies die größte Parteispende der letzten Jahre: Allein Druck und Versand des „Extrablatts“ in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern haben über eine Million Euro gekostet, wie der Nordkurier berechnet hat. Die Kosten für Plakate, Werbespots und das Berliner „Extrablatt“ sind dabei noch nicht einmal einkalkuliert.

Warum sollen Spender nicht im Dunkeln bleiben?

Verdeckte Großspenden an Parteien sind nach dem Parteiengesetz verboten: Sobald eine Einzelspende 50.000 Euro übersteigt, muss der Spendername binnen weniger Tage veröffentlicht werden. Anonyme Spenden sind schon ab 500 Euro untersagt. Denn die Öffentlichkeit soll nachvollziehen können, wer mit großen Geldbeträgen politisch Einfluss nimmt – gerade auch vor Wahlen.

Verdeckte Großspenden an Parteien treten die Demokratie mit Füßen. Denn Demokratie heißt, dass jede Stimme grundsätzlich gleich viel Gewicht haben soll. Durch das Fehlen einer Obergrenze bei Parteispenden ist dieses Prinzip in Deutschland tendenziell immer gefährdet. Die bestehenden Transparenzvorschriften sollen jedoch immerhin gewährleisten, dass eine kritische Öffentlichkeit für Fairness im politischen Wettbewerb der Parteien sorgt: Wenn sichtbar ist, welche Akteure an welche Partei zahlen, können Bürger bei ihren Wahlentscheidungen berücksichtigen, was über die Interessen dieser Akteure bekannt ist. Bleiben Geldgeber im Dunkeln, wird das demokratische Recht der Bürgerinnen und Bürger beschädigt, eine informierte Wahlentscheidung zu treffen.

Vorteile von Spendenwäsche für die Beteiligten

Die Umgehung der Vorschrift durch „Spendenwaschanlagen“ bietet den Beteiligten mehrere Vorteile – und der Demokratie entsprechende Nachteile:

  • Werberischer Effekt: Wenn scheinbar unabhängige Dritte für eine Partei werben, hat dies mutmaßlich einen positiveren Effekt als die Eigenwerbung einer Partei, die klar als solche erkennbar ist. Ist die Unabhängigkeit nur scheinbar, wird damit der politische Wettbewerb verzerrt.
  • Entlastung der Partei: Bei Rückgriff auf verdeckte Geldflüsse steht die Partei in der Öffentlichkeit ärmer da, als sie in Wirklichkeit ist – das kann Sympathiepunkte bringen. Zudem wird sie nicht mit den Interessen der Geldgeber in Verbindung gebracht und erscheint ihnen gegenüber neutral. Schließlich kann sie auch die Verantwortung für die Inhalte von sich weisen, die nicht offiziell in ihrem Auftrag in die Welt gesetzt werden. So geschehen durch AfD-Chef Meuthen, der dabei implizit behauptete, er habe das „Extrablatt“ noch nie gesehen – zu einem Zeitpunkt, als das Machwerk schon von allen Haushalten in seinem Bundesland zur Kenntnis genommen worden war.
  • Anonymität der Spender: Aus politischen Motiven oder aufgrund der Rechtslage wollen Geldgeber unter Umständen im Dunkeln bleiben. Entweder wollen sie nicht öffentlich mit der Partei in Verbindung gebracht werden, weil sie sich von einer verdeckten Einflussnahme mehr Wirksamkeit versprechen oder der Ruf der Partei nicht zum eigenen Image passt. Oder sie dürfen aufgrund der Rechtslage gar nicht spenden (Spenden von ausländischen Staatsbürgern sind beispielsweise nur bis zu 1000 Euro erlaubt).

Worum es rechtlich geht: „Übernahme einer Maßnahme“

Rechtlich geht es um die Frage, ob die Wahlkampfhilfe für die AfD der Partei als „Einnahme“ nach § 26 Parteiengesetz zuzurechnen ist. Als solche Einnahme gelten auch „Maßnahmen durch andere, mit denen ausdrücklich für eine Partei geworben wird“, im Fall von Sachleistungen „unter Ansetzung mit den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für gleiche oder vergleichbare Leistungen üblicherweise zu zahlenden Preisen“. Dies aber nur, wenn die „Übernahme“ einer solchen Maßnahme vorliegt. Und eine solche „Übernahme“ setzt – jedenfalls nach der Rechtsauffassung der Bundestagsverwaltung – eine ausdrückliche (wenn auch nicht unbedingt schriftliche) Vereinbarung voraus.

Für eine funktionierende „Spendenwaschanlage“ reicht es demnach, dass die Beteiligten behaupten, dass keine solche Vereinbarung existiert. Eben das tut die AfD. Auf die Anfrage der Bundestagsverwaltung zu dem Vorgang im März teilte der Bundesvorstand in dem uns vorliegenden Schreiben mit, die massiven Werbemaßnahmen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hätten „ohne jede Kenntnis des Bundesvorstands und der Landesvorstände“ stattgefunden. Sie seien „weder mit Gremien [der] Partei geplant oder abgestimmt“ worden noch habe die Partei sie „ihrerseits finanziert“.

Zwar lässt das AfD-Schreiben offen, ob einzelne Führungspersonen in die Vorbereitung der Maßnahme involviert waren. Es äußert sich auch nicht dazu, ob das AfD-Mitglied Josef Konrad, Koordinator der Aktionen im März, gegen das Parteiengesetz verstieß, indem er die entgegengenommenen Spenden nicht „unverzüglich an ein für Finanzangelegenheiten von der Partei satzungsmäßig bestimmtes Vorstandsmitglied“ weiterleitete, wie § 25 (1) PartG vorschreibt. Doch für die Bundestagsverwaltung ist damit die „Prüfung“ der Wahlkampffinanzierung im Südwesten fürs Erste abgeschlossen. Und den Vorgang in Mecklenburg-Vorpommern bzw. in Berlin erwartet ein ähnliches Schicksal. Grund sind Lücken im Parteiengesetz – und fehlende Ermittlungskompetenzen der Bundestagsverwaltung, die über die Einhaltung des Gesetzes wachen soll.

Eine echte Untersuchung findet nicht statt

Denn der Bundestag darf nicht einmal von Dritten (wie etwa dem Geschäftsführer des Spendensammelvereins) eine Stellungnahme verlangen, von darüber hinausgehenden Untersuchungsbefugnissen ganz zu schweigen. Die Staatsanwaltschaft könnte zwar weiter ermitteln – doch die darf vom Bundestag erst eingeschaltet werden, wenn ein Partei-Rechenschaftsbericht konkrete Anhaltspunkte für Rechtsverstöße gibt. Doch wenn die Wahlkampfhilfe für die AfD über das Konto des ominösen „Vereins“ lief, ist aus dem Rechenschaftsbericht der Partei sicher kein Anhaltspunkt zu erwarten. Zudem muss die AfD ihren Rechenschaftsbericht für 2016 erst 2018 abliefern – lange Zeit nach der Wahl. Von einer wirklichen Untersuchung kann man also im Grunde genommen nicht sprechen.

Jeder Verstoß macht Schule – und das Parteiengesetz zur Lachnummer

Die Gesetzeslücken bei der Parteienfinanzierung sind keineswegs neu. Sie wurden schon vor Jahren von Gönnern der CDU und SPD genutzt – ob vom Unternehmer Carsten Maschmeyer,  der die Wahlkämpfe von Gerhard Schröder und Christian Wulff auf dubiosen Umwegen unterstützte, oder bei dem anonym finanzierten „Peerblog“, der im letzten Bundestagswahlkampf für den SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück werben sollte. Zudem wurde bei der CDU-Spendenaffäre deutlich, dass die Haftstrafen, die laut Gesetz bei illegalen Spenden drohen, in der Praxis selbst im Fall eines Großskandals nicht verhängt werden.

So etwas kann Schule machen: Jeder dieser Fälle zeigt Nachahmungswilligen, wie sie die bestehenden Regeln umgehen können, ohne spürbar zur Verantwortung gezogen zu werden. Unter diesem Blickwinkel lädt das Parteiengesetz zu seiner eigenen Umgehung geradezu ein und gerät zur Lachnummer.

Was wäre notwendig?

Notwendig ist keine „Lex AfD“ – denn angesichts der Vorläufer-Fälle dürfte klar sein, dass das Problem auch andere Parteien betrifft und somit grundsätzlicher Art ist. Allerdings sollte durch den aktuellen schwerwiegenden Verdacht der verdeckten Wahlkampffinanzierung klar sein, dass der Handlungsdruck zum Schutz der Demokratie immer größer wird.

Klar ist: die Bundestagsverwaltung braucht weitergehende Ermittlungskompetenzen, auch unabhängig von den Rechenschaftsberichten. Die Parteien sollten zudem zügiger Rechenschaft über Großspenden ablegen müssen – ab 10.000 Euro ist sofortige Veröffentlichung geboten, damit Bürger/innen noch vor Wahlen und anderen politischen Entscheidungen wissen, wessen Geld dabei eine Rolle spielen kann.

Doch auch das reicht nicht, um „Spendenwaschanlagen“ tatsächlich zu schließen. Dafür bräuchte es zumindest eine Ausweitung der Transparenzpflichten wie beispielsweise in Großbritannien. Dort gelten für sogenannte „third-party campaigners“, d. h. Akteure, die für den Wahlkampf von Parteien oder Kandidaten Spenden sammeln, dieselben Offenlegungspflichten wie für die Parteien und Kandidaten selbst. Sie müssen sich registrieren und schon ab 1.500 Pfund Spenden und Spendernamen bekannt machen – und zwar zügig nach Zahlungseingang.

Das ist machbar. Warum wird es bei uns nicht gemacht?

 

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