Lobbyismus an Schulen

didacta: Wer will in die Köpfe unserer Kinder?

Meinungsmache und Marketing sind an Schulen keine Ausnahme mehr. Unternehmen stellen ganze Lerneinheiten bereit oder schicken ihre Mitarbeiter als „Experten“ in Schulen. Letztes Jahr haben wir dazu ein vielbeachtetes Diskussionspapier veröffentlicht. Auch auf der wichtigen Bildungsmesse didacta sind viele Unternehmen und Verbände vertreten. Einige davon sind in der Vergangenheit durch fragwürdige Aktivitäten an Schulen aufgefallen. […]
von 25. März 2014

Meinungsmache und Marketing sind an Schulen keine Ausnahme mehr. Unternehmen stellen ganze Lerneinheiten bereit oder schicken ihre Mitarbeiter als „Experten“ in Schulen. Letztes Jahr haben wir dazu ein vielbeachtetes Diskussionspapier veröffentlicht.

Auch auf der wichtigen Bildungsmesse didacta sind viele Unternehmen und Verbände vertreten. Einige davon sind in der Vergangenheit durch fragwürdige Aktivitäten an Schulen aufgefallen. Ein Team von LobbyControl war in diesem Jahr auf der didacta, um Beispiele für Marketing und Meinungsmache an Schulen zu sammeln. Die Dokumentation der Ergebnisse finden Sie weiter unten. Außerdem haben wir Journalisten über die Messe geführt. Die taz hat darüber berichtet.

Unser Besuch auf der didacta war aufschlussreich. Wir haben viel darüber erfahren, wie Meinungsmache an Schulen funktioniert und wie die Anbieter fragwürdiger Aktivitäten diese versuchen zu legitimieren. Wir haben außerdem erfahren, dass die sogenannte Bildungskommunikation als „wichtiger Bestandteil der Gesamtmarketingstrategie“ für Unternehmen gesehen wird. Solche „Bildungskommunikation“ öffnet Schultüren leichter als Werbung, da diese an Schulen nicht erlaubt ist. Und ein Verbandsverteter hat offen zugegeben, dass das Schulmaterial seines Verbandes „natürlich auch PR“ sei.

Die vielen Beispiele zeigen, dass es sich nicht um Ausnahmefälle handelt, sondern häufig viel Geld und Know-how hinter der Meinungsmache an Schulen steckt. Dabei wird das interessengeleitete Material neutral verpackt, um es leichter in den Unterricht zu bringen.

Die Politik hat dieses Problem zu lange ignoriert oder fragwürdige Kooperationen sogar gefördert. Es ist höchste Zeit zu handeln. Kritische Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrerinnen und Lehrer sind gefragt. Und eine Politik, die einen selbstbewussten und kritischen Umgang mit externen Angeboten unterstützt.

Das Schulpapier und den Flyer „Lobbyismus an Schulen“ können Sie hier kostenlos bestellen.



Den Flyer „Lobbyismus an Schulen“ können Sie hier kostenlos bestellen, oder hier online anschauen (PDF).


 


 


 


 


 


 


Die Einflussnahme auf den Unterricht ist mit der Zeit immer professioneller geworden. Mittlerweile gibt es Agenturen, die sich auf die Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen spezialisiert haben. Die Agentur für Bildungskommunikation Capito erklärt in einem Video wie es funktioniert:
https://www.youtube.com/watch?v=yt1rZgy3VYg


Ein spannender Tag auf der didacta geht zu Ende. Wir haben längst noch nicht alles gesehen, aber genug für heute.
Wenn Sie selbst zur didacta fahren, halten Sie die Augen offen. Über Hinweise an kontakt@lobbycontrol.de würden wir uns sehr freuen.



 


Das Portal „Unternehmergeist in die Schulen“ blendet dabei Gefahren und mögliche Nachteile für die Schulen praktisch aus. Schulen sollten jedoch immer Vor- UND Nachteile und die möglichen Motive der beteiligten Unternehmen beachten. Besonders dauerhafte Kooperationen können zu Abhängigkeiten und mangelnder Distanz führen. Seitens der Politik wären klare Kriterien nötig.


 

Mit der INSM haben wir uns im Diskussionspapier „Lobbyismus an Schulen“ schon ausführlich beschäftigt: „Im Bildungsbereich besonders aktiv ist etwa die INSM, die sich u.a. dafür einsetzt, dass der Arbeitsmarkt und das Bildungswesen stärker an den Bedürfnissen von Unternehmen ausgerichtet werden. Diese Sichtweise findet sich auch auf dem von der INSM Lehrerportal Wirtschaftundschule.de wieder, beispielsweise zum Thema Soziale Sicherung (pdf). In dem gleichnamigen Material konzentriert sich die INSM auf die Probleme und Gefahren sozialstaatlicher Maßnahmen und stellt soziale Gerechtigkeit als eine Utopie dar. Eine kontroverse und kritische Auseinandersetzung mit dem Thema ist so kaum möglich.“ (S. 6)

Wie die INSM mit Studien versuchte, Mängel in Schulbüchern zu konstruieren, steht auf Seite 12 in unserem Diskussionspapier. Ein kritischer Blick auf die von Arbeitgebern finanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft insgesamt findet sich in der Lobbypedia.


 

Hintergrund: Der Verband deutscher Maschinen- und Anlagebau (VDMA) gehört zu den ältesten Wirtschaftsverbänden, er wurde bereits 1892 gegründet. Zu den Mitgliedern gehören neben Mittelständlern auch die großen wie BMW, Bosch oder Siemens. In Brüssel gab der Verband laut EU-Transparenzregister 2012 zwischen 1,5 und 1,75 Mio. € für Lobbyarbeit aus.


 

Hier finden sich die Referenzen von Klett MINT, darunter umstrittene Materialien wie die Genius-Reihe für Daimler (siehe unten) oder für My Finance Coach (v.a. von der Allianz getragen).


 


 


 

Über den Werbefeldzug von Apple und Co. an Schulen gibt es einen interessanten Artikel auf Welt Online. Die großen Technikkonzerne werben alle mit eigenen Schulprogrammen um die Gunst der Lehrer. Von Google gibt es das „Certified-Teachers“-Programm, Microsoft zeichnet Lehrer als „Expert Educators“ aus und Samsung unterstützt die Initiative „Digitale Bildung neu Denken“. Ob iPad-Klasse oder Galaxy-Tab-Klasse macht für die Hersteller einen gewaltigen Unterschied. Es wäre eine Recherche wert, ob und wie die Technikkonzerne auf Bildungspolitiker oder Lehrpläne einwirken.


 

Auf unsere Anfrage, ob das Material der Daimler AG mit dem Schulgesetz vereinbar ist, antwortete das Schulministerium in NRW: „Das Beispielheft der Daimler AG beinhaltet ohne Frage Abbildungen unternehmenseigener Fahrzeuge, von denen eine gewisse Werbewirkung ausgeht. Gleichwohl sind sie in einen schulischen Gesamtkontext eingestellt, der dazu beiträgt, dass die Werbewirkung hinter dem schulischen Nutzen zurücktritt.“ So lässt sich eigentlich jegliche Aktivitäten an Schulen begründen.


 


 

Das Diskussionspapier „Lobbyismus an Schulen“ gibt es hier zum Runterladen oder Bestellen.

Hier unsere Pressemitteilung zum Start der didacta (PDF).

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