Nebeneinkünfte

Unions-Fraktionsvize Fuchs jahrelang für britische Spionagefirma tätig

Der Stern enthüllt heute, dass der CDU-Politiker Michael Fuchs seit 2008 für die umstrittene Londoner Spionagefirma Hakluyt & Company (H&C) tätig war. Für 13 Vorträge erhielt er mindestens 57.000 Euro. Die Geschichte hat zwei brisante Facetten: erstens was macht ein Volksvertreter bei einer Spionagefirma? Zweitens waren die Vorträge auf Seiten des Bundestages jahrelang falsch angegeben.
von 10. Januar 2013
Screenshot der Webseite von Hakluyt & Company, 10. Jan 2013

Verschwiegen: Im Netz präsentiert sich Hakluyt & Company mit den reinen Kontaktdaten.

Der Stern enthüllt heute gemeinsam mit Abgeordnetenwatch, dass der CDU-Politiker Michael Fuchs seit 2008 für die umstrittene Londoner Spionagefirma Hakluyt & Company (H&C) tätig war. Für 13 Vorträge erhielt er mindestens 57.000 Euro. Die Geschichte hat zwei brisante Facetten: erstens was macht ein Volksvertreter bei einer Spionagefirma? Zweitens waren die Vorträge auf Seiten des Bundestages jahrelang falsch angegeben.

Hakluyt: Spionage für die Industrie

Hakluyt & Company wurde 1995 von ehemaligen Mitgliedern des britischen Auslandsgeheimdienstes gegründet (bekannt als MI6). Laut einem der Gründer war die Idee dabei “für die Industrie das zu tun, was wir für die Regierung gemacht hatten”. Hakluyt geht davon aus, dass die Kunden selbst schon die frei verfügbaren Informationen aus Publikationen oder Internet ausgewertet habe. Daher bringe Hakluyt die Informationen und Einschätzungen von Leuten ein, “die die Länder kennen, die Eliten, die Unternehmen, die Medien vor Ort, die lokalen Umweltorganisationen, all die Faktoren, die in anstehende große Entscheidungen einfließen”.

Nach einem Bericht der Financial Times von 2000 habe die Firma damals 100 „Associates“ in London und global gehabt. Dabei könne es sich um Journalisten handeln, Diplomatengattinnen, hochrangige Unternehmensvertreter, ehemalige Diplomaten oder Berater. Für einzelne Aufträge würden bis zu fünf dieser Associates nach London gerufen, gebrieft und dann mit unterschiedlichen Fragen zur Informationsbeschaffung losgeschickt (Quellenangaben im Lobbypedia-Artikel über Hakluyt & Company; auch zu den Zitaten oben).

Im Jahr 2000 flog auf, dass H&C für die Ölfirmen Shell und BP in den Neunzigern Greenpeace und andere Umweltorganisationen durch einen eingeschleusten deutschen Spitzel ausspioniert hatte. Der Spitzel hatte sich dabei als linker Sympathisant und Dokumentarfilmer ausgegeben.

Fuchs: Vortragsredner oder Helfer bei der Informationsgewinnung?

Die brisante Frage ist nun, welche Rolle Michael Fuchs bei H&C genau spielte und wofür er das Geld bekam. Hat er der Spionagefirma bei der Infomationsbeschaffung für Großunternehmen geholfen und wenn ja, wie genau? Fuchs ist schließlich in der deutschen und internationalen Wirtschaft hervorragend vernetzt, wie seine zahlreichen teils bezahlten, teils ehrenamtlichen Aufsichts- und Beiratsposten zeigen.

Die Nebentätigkeiten von Fuchs sind als „Vorträge“ deklariert. Es ist uns jedoch nicht bekannt, dass die Spionagefirma jemals Vorträge für die Öffentlichkeit oder auch nur geladene Gäste über ihre Kunden hinaus organisiert hätte. Die Anwältin und Forscherin Eveline Lubbers hat sich jahrelang mit privaten Nachrichtendiensten beschäftigt. Ihr Buch „Secret Manoeuvres in the Dark. Corporate and Policy Spying on Activists“ (London 2012) enthält ein ganzes Kapitel über Hakluyt & Company. Sie habe noch nie von öffentlichen Vorträgen der Firma gehört. Die Firma sei extrem öffentlichkeitsscheu. Unsere Frage, ob bei den „Vorträgen“ jemals andere Teilnehmer dabei waren als Hakluyt-Mitarbeiter und deren Kunden, ließ Michael Fuchs bislang unbeantwortet. Morgen wolle er sich laut seinem Büro uns gegenüber zu dem ganzen Vorgang äußern. Update 16. Januar: Michael Fuchs verweigert uns gegenüber jede verwertbare Aussage zu seiner Tätigkeit bei Hakluyt & Company.

Auffällig ist zudem, dass die H&C-Honorare an Fuchs in den Jahren 2010 bis 2012 einem auffälligen Muster folgen, wie Abgeordnetenwatch feststellt:

„Immer die letzte Rede eines Jahres war für Fuchs besonders lukrativ. Anstatt seines sonst üblichen Honorars zwischen 3.500 und 7.000 Euro (Stufe 2) kassierte der CDU-Abgeordnete in diesen Fällen jeweils über 7.000 Euro (Stufe 3). Warum stieg Fuchs’ Marktwert, je älter das Jahr wurde? Auf einen Außenstehenden wirkt das, als habe es zum Jahresende eine Extrazahlung gegeben. Zur Frage, ob er für H&C als Berater tätig war, wollte der CDU-Abgeordnete gegenüber abgeordnetenwatch.de keine Auskunft geben.“

Fuchs’ Tätigkeit für die Spionagefirma blieb jahrelang im Dunkeln

Michael Fuchs Aktivitäten für den privaten Nachrichtendienst waren bisher unbekannt. In Fuchs Nebentätigkeiten-Angaben auf der Homepage des Bundestags stand jahrelang die Hakluyt Society anstelle von Hakluyt & Company. Die Hakluyt Society ist ein gemeinnütziger Verein, der hauptsächlich wissenschaftliche Texte über die Entdeckerzeit publiziert. Beide Organisationen sind nach dem britischen Schriftsteller und Geographen Richard Hakluyt benannt.

Dubios bleibt, warum auf Fuchs‘ Abgeordnetenseite der Name Hakluyt Society anstelle der Hakluyt & Company aufgeführt wurde. Dem Stern sagte eine Mitarbeiterin von Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU), dass lasse sich nicht mehr rekonstruieren. Laut Abgeordnetenwatch habe ein Sprecher der Bundestagsverwaltung mitgeteilt, Fuchs habe bei seinen Meldungen ausschließlich “Hakluyt” geschrieben, nur “einmal” hätte er von “Hakluyt & Co.” gesprochen.

LobbyControl gegenüber stellt Fuchs den Sachverhalt selbst so dar:

„Gegenüber der Verwaltung des Deutschen Bundestages habe ich meine Tätigkeit bei der Firma ‚Hakluyt & Co., London‘ ordnungsgemäß zu Beginn der 17. Legislaturperiode angegeben [ab 2009]. In der fortlaufenden Korrespondenz gegenüber der Verwaltung des Deutschen Bundestages war dann jeweils von ‚Hakluyt‘ die Rede. Seitens der Verwaltung wurde mir bestätigt, dass ich ’nie den Begriff »Society« verwendet‘ habe.“ (E-Mail vom 10. Januar 2013; unsere inhaltliche Fragen zu seiner Tätigkeit beantwortete Fuchs darin nicht)

Hier ist rasche Aufklärung statt Schwarze-Peter-Spiel angesagt. Fuchs muss sich zumindest vorwerfen lassen, fahrlässig mit seinen Auskunftspflichten umgegangen zu sein. Der Fehler hätte ihm selbst in all den Jahren auffallen müssen.

Bereits früher ist Fuchs mehrfach durch lückenhafte Angaben zu seinen Nebentätigkeiten aufgefallen. So zeigte er in der letzten Legislaturperiode seine Mitgliedschaft im Beirat der Lobbyagentur „PKS Wirtschafts- und Politikberatung GmbH“ erst an, nachdem sich Abgeordnetenkollegin Ulla Lötzer von der Linkspartei bei Bundestagspräsident Lammert beschwert hatte. Weitere Funktionen in diversen Organisationen, wie etwa im Vorstand der deutschen Handelskammer in HongKong,der „Gesellschaft zum Studium strukturpolitischer Fragen e. V.“ sowie im neoliberalen Wirtschaftsverband der deutschen Familienunternehmen „ASU“ gab Fuchs ebenfalls erst nach Nachfragen von Abgeordnetenwatch oder kritischen Bürgern an.

Viele Fragen offen – schnelle Aufklärung nötig

Für LobbyControl ist es absolut inakzeptabel, wenn ein gewählter Volksvertreter einer privaten Spionagefirma für Unternehmen bei der Informationsbeschaffung hilft. Als Unions-Fraktionsvize und Mitglied in den Ausschüssen für Wirtschaft und Verteidigung muss Michael Fuchs jetzt Klarheit über die Details seiner Tätigkeit für H&C schaffen.

Der Fall zeigt zudem erneut die Notwendigkeit an, die Transparenzregeln für Abgeordnete auszuweiten und stärker zu kontrollieren. Trotz mehrerer Verstöße kam Fuchs bislang ohne Strafe davon. Die Bundestagsverwaltung muss endlich ihre nachgiebige Haltung bei lückenhaften oder fehlerhaften Angaben beenden.

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