Aus der Lobbywelt

Weiterhin Lobbyisten in Ministerien tätig

Die Bundesregierung lässt weiterhin Lobbyisten direkt in den Ministerien mitarbeiten. Das zeigt der aktuelle Bericht über sogenannte „externe Mitarbeiter“ in den Bundesbehörden für das zweite Halbjahr 2011. Besonders brisant sind zwei Mitarbeiter des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), die im Auswärtigen Amt und im Entwicklungsministerium eingesetzt werden. Der BDI-Mitarbeiter im Auswärtigen Amt soll sich dort […]
von 5. April 2012

Die Bundesregierung lässt weiterhin Lobbyisten direkt in den Ministerien mitarbeiten. Das zeigt der aktuelle Bericht über sogenannte „externe Mitarbeiter“ in den Bundesbehörden für das zweite Halbjahr 2011. Besonders brisant sind zwei Mitarbeiter des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), die im Auswärtigen Amt und im Entwicklungsministerium eingesetzt werden.

Der BDI-Mitarbeiter im Auswärtigen Amt soll sich dort laut Bericht mit folgenden Themen beschäftigen: „Investitionsgarantien, Organisation von Projekten der Außenwirtschaftsförderung und der strukturellen Verbesserung der Zusammenarbeit mit Wirtschaftsverbänden“. Damit berührt seine Tätigkeit dort klar die kommerziellen Interessen der BDI-Mitglieder. Die Verwaltungsvorschrift für externe Mitarbeiter sagt dagegen ganz klar, dass der Einsatz externer Mitarbeiter in „Funktionen, deren Ausübung die konkreten Geschäftsinteressen der entsendenden Stelle unmittelbar berührt“ grundsätzlich nicht zulässig ist. Das Auswärtige Amt unter der Leitung von Guido Westerwelle verletzt damit unserer Einschätzung nach die Vorschriften.

Bereits vom 1.10.2009 bis 30.9.2011 war ein BDI-Mitarbeiter im Auswärtigen Amt tätig, der nun durch den neuen Fall nahtlos ersetzt wird. Diese fortgesetzte Missachtung geltender Regeln ist inakzeptabel.

Der BDI auch im Entwicklungsministerium

Auch im Entwicklungsministerium ist der BDI vertreten. Ein Klimaexperte des Wirtschaftsverbands ist im Referat für die internationale Zusammenarbeit im Rahmen der G8/G20 für zwei Jahre tätig. Er soll dort u.a. „Unterstützung der zuständigen Referenten bei der Erarbeitung/Koordinierung von BMZ-Positionen“ leisten. Auch dieser Einsatz ist für uns hochproblematisch. Erstens berührt er Interessen des BDI und zweitens untersagt die Verwaltungsvorschrift auch den Einsatz von externen Mitarbeitern in leitenden Bereichen und bei der Formulierung von Gesetzen oder anderen Rechtsetzungsakten. Die Zusammenarbeit im Rahmen der G8/ G20 läuft zwar nicht über Rechtsakte, aber die Mitbestimmung deutscher Positionen bei internationalen Verhandlungen durch Lobbyisten ist aus unserer Sicht inakzeptabel.

Verband der Ersatzkassen im Gesundheitsministerium

Ein weiterer heikler Fall ist die Mitarbeit von Vertretern des Verbands der Ersatzkassen im Gesundheitsministerium. In einem Ende September 2011 abgeschlossenen Fall arbeitete dort ein vdek-Referatsleiter am Versorgungsgesetz mit. In einem neuen Fall soll es um die Elternzeit-Vertretung einer Mitarbeiterin im Ministerium gehen und um das Anfertigen von „Vermerken und Reden für die Hausleitung“ (also letztlich Gesundheitsminister Daniel Bahr, FDP). Für den Einsatz von Vertretern der gesetzlichen Krankenkassen im Bundesgesundheitsministerium in §30 Sozialgesetzbuch IV gibt es zwar eine eigene gesetzliche Grundlage. Allerdings ist der vdek selbst eben keine Krankenkasse und keine Körperschaft öffentlichen Rechts. Insofern ist auch dieser Einsatz problematisch.

Weitere Informationen

Leider gibt es den Bericht über externe Mitarbeiter in den Bundesbehörden nicht frei zugänglich. Wir haben deshalb eine Übersicht aller Fälle in dem neuen Bericht erstellt:

Hintergrund und generelle Schwächen des Berichts

LobbyControl-Aktion 2008

LobbyControl-Aktion gegen Lobbyisten in Ministerien 2008, Foto: Julian Bank/ LobbyControl

2006 enthüllte das ARD-Magazin Monitor den großflächigen Einsatz von Lobbyisten in den Bundesministerien. Nach einer Untersuchung des Bundesrechnungshofes und Kampagnenarbeit von uns wurde 2008 eine Verwaltungsvorschrift verabschiedet, die den Einsatz der „externen Mitarbeiter“ deutlich einschränkte. Tatsächlich ging der Einsatz von Unternehmens- oder Verbändevertretern in den Ministerien deutlich zurück. Aber wie der aktuelle Bericht zeigt, hat sich die Situation zwar deutlich gebessert – aber es gibt weiter problematische Einzelfälle.

Zudem existieren Schlupflöcher, u.a. für Werkverträge und befristete Verträge. Zudem werden öffentliche Unternehmen und Körperschaften gar nicht erfasst, obwohl es auch hier zu Interessenkonflikten kommen kann. Deshalb arbeiten wir weiter daran, ein komplettes Ende dieser demokratieschädlichen Praxis zu erreichen.

Nicht erfasst von dem Bericht ist auch die Auftragsvergabe von Ministerien an externe Berater, wie etwa Wirtschaftskanzleien. Weitere Infos dazu in der Lobbypedia unter Outsourcing von Gesetzen an Kanzleien und Wirtschaftsprüfer.

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