Nebeneinkünfte

Grüne und SPD für mehr Lobbykontrolle

Sowohl Bündnis90/Die Grünen als auch die SPD haben auf ihren Bundesparteitagen in den letzten Wochen viel versprechende Beschlüsse für Transparenz und bessere Regeln in Sachen Lobbyismus und Interessenkonflikten gefasst. Wir geben einen Überblick zu den aus lobbykritischer Sicht relevanten Beschlüssen. Grüne: „Demokratischer Aufbruch in Zeiten der Krise“ Der Bundesparteitag der Grünen fand vom 25. bis […]
von 14. Dezember 2011

Sowohl Bündnis90/Die Grünen als auch die SPD haben auf ihren Bundesparteitagen in den letzten Wochen viel versprechende Beschlüsse für Transparenz und bessere Regeln in Sachen Lobbyismus und Interessenkonflikten gefasst. Wir geben einen Überblick zu den aus lobbykritischer Sicht relevanten Beschlüssen.

Grüne: „Demokratischer Aufbruch in Zeiten der Krise“

Der Bundesparteitag der Grünen fand vom 25. bis 27. November in Kiel statt. Interessant für uns war der Tagesordnungspunkt „Mehr Demokratie ist die Lösung“ und genauer der Beschluss unter dem Titel „Demokratischer Aufbruch in Zeiten der Krise“.

Aktion für Lobby-Appell 2009

2009 übergaben wir 8.700 Unterschriften für ein Lobbyregister an den Bundestag. Zumindest bei der Opposition bewegt sich was

In diesem Beschluss werden eine Reihe von Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie vorgeschlagen, darunter auch eine Begrenzung einseitiger oder verdeckter Einflussnahme auf politische Entscheidungen. Nach Auffassung der Grünen ist „eine Politik, die gut organisierten und ressourcenstarken Interessen zuwider läuft, nur schwer möglich.“ Das sehen wir auch so. Die Grünen differenzieren weiter: „Zwar ist eine Politik, die vor allem ressourcenschwache Interessen in den Blick nimmt, nicht per se gut – schlecht ist es allerdings für die Demokratie, wenn der politische Spielraum schon vorab eingeengt ist und nicht alle Interessen in die Entscheidung einbezogen werden […]“ Letztlich sei also Lobbytransparenz und -regulierung eine Frage der politischen Gerechtigkeit. Was schlagen die Grünen also vor, um diesem Ziel näher zu kommen? Hier eine Übersicht:

  • Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters in Bund, Ländern und auf europäischer Ebene
  • Eine dreijährige Karenzzeit für politisches Spitzenpersonal, in der die weitere Berufstätigkeit genehmigungspflichtig sein soll
  • Mehr Transparenz bei Nebeneinkünften ab 1000 Euro
  • Keine Umgehung der Transparenzpflichten durch Anwälte durch klare Unterscheidung zwischen grundrechtlich relevanter Anwaltstätigkeit und Lobbyarbeit
  • Ein Verbot von Parteispenden für juristische Personen, Begrenzung der Spendensumme für natürliche Personen sowie Absenkung der Veröffentlichungsgrenze für Großspenden (bisher 50.000 Euro)
  • Gleichbehandlung von Sponsoring und Spenden bei den Veröffentlichungspflichten
  • Eine ausgewogene Besetzung von Expertengruppen, auch auf europäischer Ebene

Mit diesen Beschlüssen schärfen die Grünen ihr Profil als Partei, die sich für mehr Transparenz und Schranken für Lobbyismus einsetzt. Wir begrüßen die Beschlüsse, auch wenn im Detail noch einige Fragen offen bleiben. Präziser hätten insbesondere die Beschlüsse zu Nebeneinkünften und Parteispenden ausfallen können: Auf welche Summe soll die Veröffentlichungspflicht für Großspenden abgesenkt werden? In welchen Stufen sollen Nebeneinkünfte veröffentlicht werden? In dem Beschlusspapier ist von einer Veröffentlichung bis 50.000 Euro die Rede – ist damit ein Jahres- oder ein Monatseinkommen gemeint? Warum gerade 50.000 Euro?

Zahlreiche Änderungsanträge
Wir erwarten von den Grünen, dass sie sich im Falle einer erneuten Regierungsbeteiligung auch tatsächlich an diesen Grundsätzen orientieren. Einige wesentliche Präzisierungen wurden durch Änderungsanträge eingebracht, wobei der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, eine zentrale Rolle spielte. So sorgte Beck dafür, dass die Regelungen zur Karenzzeit etwas abgeschwächt wurden. So wurde angefügt, dass nur dann keine Lobbytätigkeit aufgenommen werden darf, „wenn dadurch Vorteile oder Belohnungen aus früheren Regierungstätigkeiten gezogen werden.“ Diese Einschränkung dürfte für einige juristische Auseinandersetzungen sorgen, falls eine Karenzzeitregelung tatsächlich eingeführt wird. Einfacher wäre es jedenfalls gewesen, jede Lobbytätigkeit innerhalb der Abkühlphase zu untersagen, wie in der Beschlussvorlage ursprünglich vorgesehen. Zugleich sorgte Beck dafür, dass Parteispenden von juristischen Personen verboten und nicht nur begrenzt werden – das stellt eine Positionsänderung der Grünen dar. Bisher hatte nur die Linke ein Parteispendenverbot für juristische Personen gefordert.

SPD: „Mehr Demokratie leben“
Auch die SPD beschäftigte sich auf ihrem Parteitag vom 4.-6.12. in Berlin mit dem Thema Demokratie. Bereits im September diesen Jahres hatte der Parteivorstand das Papier „Mehr Demokratie leben“ verabschiedet, das nun als Leitantrag mit großer Zustimmung beschlossen wurde. Der Antrag war unter Federführung von Heiko Maas, Oppositionsführer im saarländischen Landtag und Mitglied des SPD-Bundesvorstands, entstanden. Zentraler Punkt darin ist vor allem die Forderung nach direkter Demokratie auch auf Bundesebene: Die SPD steht nun für die Einführung von bundesweiten Volksbegehren und Volksentscheide. Diese neue Positionierung wurde auch in der Presse als Kernforderung des Antrags aufgenommen. Auch mit Themen wie frühzeitige Bürgerbeteiligung und Transparenz bei Großprojekten greift die SPD die Rufe nach mehr Demokratie rund um die Proteste gegen Stuttgart 21 auf. Doch auch die Themen Lobbyismus, Lobbyregulierung und demokratieschädigende Machtungleichgewichte spielen in dem Antrag eine große Rolle.

Mit teils direkten und teils indirekten Bezügen auf die Lobbytätigkeiten rund um die Gesundheitsreform, die Laufzeitverlängerung und den Klientelismus bei der Hotelsteuer zieht sich das das Thema Lobbyismus wie ein roter Faden durch den Analysteil des Antrags. Folgerichtig fordert die SPD eine Verschärfung der Lobbyregulierung:

  • Einführung eines gesetzlich verpflichtenden und sanktionsbewehrten Lobbyregisters für alle Interessenvertreter; Offenlegung der Interessen und Geldgeber; Pflicht zum Eintrag auch für Anwälte, sofern sie Lobbying betreiben; Überwachung durch einen „Lobby-Beauftragten“
  • Partei-Sponsoring soll den Transparenzanforderungen für Parteispenden angeglichen werden, Regeln sollen auch für Listenverbindungen (Freie Wähler) gelten
  • Während und nach Ablauf der Amtszeit sollen sich Mitglieder der Bundesregierung als mögliche Seitenwechsler einer Verhaltensrichtlinie unterwerfen, die die Aufnahme von entgeltlichen und unentgeltlichen Tätigkeiten reguliert und Bestimmungen zur Offenlegung finanzieller Interessen und Vermögen beinhaltet.
  • Vorgaben für die Mitarbeit Externer in Bundesbehörden, bei der externen Erstellung von Gesetz- und Verordnungsentwürfen und bei der Vergabe von Hausausweisen für Liegenschaften des Bundestages (keine weitere Präzisierung)
  • freiwilliger Verhaltenskodex für Lobbyisten zu den Grundsätzen Offenheit, Transparenz, Ehrlichkeit und Integrität, als Anreiz wird Annahme wird im Lobbyregister aufgeführt
  • Transparenz auch bei der direkten Demokratie: strenge Offenlegungspflichten im Abstimmungswahlkämpfen, damit bekannt wird, welche Geldgeber hinter einer Werbekampagne stehen; alle Regeln politischer Transparenz müssen auch für Initiatoren von Volksentscheiden gelten

Gute Ausführungen zum Lobbyregister, Leerstelle bei Nebentätigkeiten
LobbyControl begrüßt grundsätzlich die Forderungen der SPD. Vor allem der Abschnitt zum Lobbyregister enthält aus unserer Sicht die wichtigsten Punkte – einschließlich der Forderung, auch Anwälte in ein Register einzubeziehen. Andere Bereiche wie Seitenwechsel und die Mitarbeit Externer bleiben dagegen vage. Notwendig ist hier, die Inhalte einer Verhaltensrichtlinie für ehemalige Mitglieder der Bundesregierung zu präzisieren. Zu klären ist außerdem, ob es von staatlicher Seite die Möglichkeit geben soll, bestimmte Tätigkeiten, wie z.B. sogenannte „Danke-schön-Verträge“, zu untersagen. Auch die Inhalte der Vorgaben für externe Mitarbeiter in Bundesbehörden werden nicht weiter ausgeführt.

LobbyControl kritisiert, dass das Thema Nebentätigkeiten von Abgeordneten in dem Antrag überhaupt nicht erwähnt wird. Hier ist es dringend erforderlich, dass die SPD eine präzise Forderung nach einer Regulierung von Nebentätigkeiten nachreicht. Die bestehende Regelung ist viel zu ungenau, da Nebeneinkünfte nur in groben Stufen angegeben werden müssen.

Weitere Informationen:
Positionspapier von LobbyControl zu Lobbyregulierung

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