Lobbyismus in der EU

Finanzlobby prägt Entscheidung des Euro-Krisengipfels

Ein kollektives Aufatmen ging durch die Finanzbranche am Tag nach dem Euro-Krisengipfel zur erneuten Rettung Griechenlands (22. Juli 2011). Zwar erwarten die Banken mit griechischen Anleihen nun Verluste, diese dürften jedoch eher gering ausfallen. Verantwortlich hierfür ist der massive Einfluss des Institute of International Finance (IIF) in den Verhandlungen. Das IIF ist mit 400 Mitgliedern, […]
von 28. Juli 2011

Ein kollektives Aufatmen ging durch die Finanzbranche am Tag nach dem Euro-Krisengipfel zur erneuten Rettung Griechenlands (22. Juli 2011). Zwar erwarten die Banken mit griechischen Anleihen nun Verluste, diese dürften jedoch eher gering ausfallen. Verantwortlich hierfür ist der massive Einfluss des Institute of International Finance (IIF) in den Verhandlungen.

Das IIF ist mit 400 Mitgliedern, darunter Banken und Versicherungen, der mächtigste Lobbyverband der Finanzbranche. Wie weit sein Einfluss wirklich reicht, zeichnete sich schon in den Tagen vor dem Euro-Gipfel ab.

Die Deutsche Bank atmet auf: Ackermann hats gerichtet

Die Deutsche Bank atmet auf: Ackermann hat's gerichtet

Vertreter des IIF nahmen an mehreren Konferenzen in Rom und Paris teil, in denen verschiedene Modelle zur Beteiligung privater Gläubiger besprochen wurden. Schon Ende Juni 2011 traf sich der Geschäftsführer des IIF, Charles Dallara, persönlich mit dem Vorsitzenden des Wirtschafts- und Finanzausschuss der EU, Vittorio Grilli. Ein Papier des IIF mit Vorschlägen zur Bankenbeteiligung landete anschließend bei den europäischen Finanzministern. Das Wall Street Journal berichtete, dass dieses Papier nun als „Roadmap“ für die weitere Vorgehensweise zur Beteiligung privater Gläubiger diene. Am Euro-Gipfeltreffen nahm der Deutsche Bank-Chef und Vorsitzender des IIF, Josef Ackermann, schließlich persönlich teil.

Zufriedenheit bei den Bankern…

Am Tag nach dem Krisengipfel war klar, Ackermanns Forderungen und die Vorschläge des IIF-Papiers wurden weitgehend einfach übernommen. Private Banken sollen nun freiwillig marode griechische Anleihen in stabile Anleihen mit längeren Laufzeiten umtauschen, die durch die Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) abgesichert sind. Der Umtausch erfolgt entweder eins zu eins zum Nennwert der alten Anleihe oder mit einem 20-prozentigen Abschlag, zugleich dann aber mit einer höheren Verzinsung der neuen Anleihe.

Während sich Ackermann in scheinheiliger Demut übte („Ja, das trifft uns hart“), konnte man die Erleichterung in der Finanzwelt förmlich spüren. „Ich glaube, es ist verkraftbar“, kommentierte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des deutschen Bankenverbands, und ein weiterer Bankenvertreter zeigte sich positiv überrascht: „Wir hatten alle deutlich höhere Belastungen erwartet“. Thorsten Wenzel, ein Analyst der DZ Bank, stellte fest, dass „für die Gewinn- und Verlustrechnung der meisten deutschen Banken (…) die Beteiligung an der Griechenland-Rettung vermutlich wenig Auswirkungen haben [wird].“

…und heftige Kritik aus der Wissenschaft

Während Politik und Finanzwelt also einen großen Erfolg feierten, zogen Wirtschaftswissenschaftler ein gänzlich anderes Fazit. So titelte die Wirtschaftswoche: „Ökonomen schütteln den Kopf über Bankenbeteiligung.“ In dem Artikel konstatierte Peter Bofinger, einer der fünf deutschen Wirtschaftsweisen: „Die Banken und Versicherungen steuern null Prozent zur Griechenland-Rettung bei. Sie sind der Sieger der Gipfel-Verhandlungen.“ Er betonte, dass erstens die Banken weit weniger zahlen werden müssen, als sie zurzeit beklagen. Zweitens läge der Marktwert griechischer Anleihen überdies derzeit nur noch bei der Hälfte ihres Nennwerts mit sinkender Tendenz. Ein Umtausch in AAA-Anleihen ist daher von klarem Vorteil für die Banken. In erster Linie steuern sie mit ihrer Beteiligung ihrem eigenen Wohlergehen bei.

Aufgrund des Protests der Bankenlobby wurde auf dem Gipfel gegen eine von Frankreich favorisierte Finanzmarktsteuer entschieden. Laut der Wirtschaftswoche waren die Finanzinstitute nur vor dem Hintergrund der möglichen Einführung einer Bankensteuer sowie eines eventuell massiveren Schuldenschnitts dazu bereitet, sich stärker an der Griechenland-Rettung zu beteiligen. Vor dem Gipfel hatten Allianz und Commerzbank einen Abschlag von 30 Prozent auf ihre Griechenland-Anleihen vorgeschlagen, die Deutsche Bank hätte gar 50 Prozent für vertretbar gehalten. Dass am Ende der Verhandlungen gegen eine Bankensteuer und für Abschläge in Höhe von maximal 21 Prozent entschieden wurde, demonstriert eindrücklich das Ausmaß der Beeinflussung der Politik durch den IIF. Bofinger resümierte abschließend: „Die Bankenlobby war beim Gipfel bestens vertreten. Sie haben ihre Interessen sehr gut durchgesetzt.“

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Foto: swisscan Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0

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