Lobbyregister

EU-Kommission und Europaparlament einigen sich auf gemeinsames Lobbyregister

Am Mittwoch Nachmittag (10.11.2010) hat eine Arbeitsgruppe von Europäischer Kommission und Europäischem Parlament einen Entwurf für ein gemeinsames EU-Lobbyregister beschlossen. Damit setzen sie endlich das lange angekündigte Vorhaben um, ihre beiden separaten Lobbyregister miteinander zu verschmelzen. Neben Verbesserungen bleiben aber leider wesentliche Schwachpunkte des bisherigen Registers erhalten. Der Entwurf, der LobbyControl vorliegt, muss nun noch […]
von 12. November 2010
ALTER-EU-Aktion vor dem Europaparlament, Oktober 2007

ALTER-EU-Aktion vor dem Europaparlament, Oktober 2007

Am Mittwoch Nachmittag (10.11.2010) hat eine Arbeitsgruppe von Europäischer Kommission und Europäischem Parlament einen Entwurf für ein gemeinsames EU-Lobbyregister beschlossen. Damit setzen sie endlich das lange angekündigte Vorhaben um, ihre beiden separaten Lobbyregister miteinander zu verschmelzen. Neben Verbesserungen bleiben aber leider wesentliche Schwachpunkte des bisherigen Registers erhalten. Der Entwurf, der LobbyControl vorliegt, muss nun noch von beiden Institutionen offiziell verabschiedet werden. Das gemeinsame Register soll im Juni 2011 an den Start gehen.

Das gemeinsame Register stellt einen deutlichen Fortschritt gegenüber den bisher einzelnen Registern (Parlament seit 1996, Kommission seit 2008) dar. Schon alleine die Tatsache, dass Bürgerinnen und Bürger zukünftig in einem öffentlichen Register auf Informationen über die Interessenvertreter, die in beiden oder einer von beiden Institutionen Lobbyarbeit betreiben, zugreifen können, ist eine Verbesserung der Transparenz. Entscheidender noch ist: Weil dauerhafte Zugängspässe zum Parlament nur noch an Organisationen und Individuen vergeben werden, die sich ins gemeinsame Register eintragen, wird sich die Zahl der relevanten eingetragenen Lobbyisten stark erhöhen.

Weiterhin nicht verpflichtend
Dass die Kommission in diesem Zusammenhang des Öfteren von einem „de-facto-verpflichtenden“ Register spricht, ist allerdings eine glatte Beschönigung: Das Register bleibt letzten Endes freiwillig. Wer bei seiner Lobbyarbeit intransparent bleiben will, kann dies weiterhin tun. Es gibt andere Wege, mit Abgeordneten und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen als mit einem dauerhaften Zugangspass. Da nützt es nichts, dass das Register zukünftig „Transparenz-Register“ heißen soll, um Gruppen, die den Eintrag ins Register bisher verweigern, wie Anwaltskanzleien und Thinktanks, zum Registrieren zu bewegen. Wer draußen bleiben will, bleibt draußen. Immer noch haben sich 40 Prozent der in Brüssel ansässigen Lobbyakteure nicht registriert, darunter so gewichtige Namen wie die mächtige Lobbyorganisation der Getränke- und Nahrungsmittelindustrie CIAA, einflussreiche Großkonzerne und Großbanken wie Nestlé, Eon, Deutsche Bank oder Royal Bank of Scotland oder stillschweigend Einfluss ausübende Lobbyorganisationen wie die der Hedgefonds und der Private-Equity-Unternehmen (AIMA und EVCA), die bei den diesjährigen Worst EU Lobbyawards für fragwürdige Lobbytaktiken nominiert sind. Das Register muss deshalb verpflichtend ausgestaltet werden.

Namen der Lobbyisten sollen im Register stehen
Positiv hervorzuheben ist auch, dass Namen individueller Lobbyistinnen und Lobbyisten in dem Register stehen werden: All derer nämlich, die einen dauerhaften Zugangspass ins Parlament besitzen wollen. Auch die Sanktionen sind verschärft worden: Bei dauerhaftem Missverhalten können die Lobbyakteure bis zu zwei Jahre aus dem Register verbannt und ihnen die Zugangspässe entzogen werden. Es wird sich zeigen, inwiefern die Institutionen von den Sanktionen Gebrauch machen. Nach zwei Jahren soll es eine Überprüfung der Funktionsfähigkeit des Registers geben. Noch ein Pluspunkt: Es werden aktuellere Informationen verlangt als bisher.

Die von der Kommission angekündigten regelmäßigen und unregelmäßigen „Checks“ einzelner Akteure sind allerdings in der Vereinbarung nicht zu finden. Diese sollen angeblich bereits ab jetzt statt finden und waren eine Reaktion auf eine kürzlich veröffentlichte Studie der Allianz für Lobby-Transparenz und ethische Regeln (ALTER-EU), die Kommission und Parlament offensichtlich peinlich war. Sie zeigte auf, dass sich unter den laut Register 50 größten Lobbyakteuren teilweise ziemlicher Unsinn findet. Wie beispielsweise die „Sanctuary Medical Ltd“, die unter dem Acronym „Petloonie“ registriert ist und erklärt, ihr Auftrag sei es “den Planeten zu heilen und sich auf  STARGATE 2012 vorzubereiten“. Die beiden größten Lobbybudgets stammen dem Register zufolge von „WSP Environmental Ltd“ und dem „Milan MXP Operators Users Committee“. Sie sind mit einem Lobbybudget von  € 247 million beziehungsweise € 182 million für 2008 registriert, 20-30 mal mehr als alle anderen. Dies ist höchstwahrscheinlich einfach ein Fehler (Firmenumsatz statt of Lobbyausgaben? – aber es zeigt, dass die Kommission offensichtlich nicht den geringsten Blick auf die eingetragenen Daten wirft. Wenn sie dies nun wirklich ändern und Überprüfungen einführen will, ist das gut, aber warum findet sich das nicht in der Vereinbarung?

Das Problem der ungenauen Daten bleibt ungelöst
Problematischer noch als das ist allerdings, dass das Register keinen realistischen Blick darauf ermöglicht, wer in welchem Ausmaß bei den Europäischen Institutionen Lobbyarbeit betreibt. Das liegt daran, dass zahlreiche Unternehmen und Lobbygruppen viel zu geringe Lobbybudgets angeben. Der mächtige Unternehmerverband BusinessEurope erscheint nicht einmal in den Top 50. Bei den Unternehmen hat ein kleines griechisches Unternehmen namens „Prisma Electronics“ anscheinend das größte Lobbybudget der EU, während beispielsweise ein Gigant wie British Petroleum in den Top 50 nicht auftaucht. Es ist bekannt, dass BP in den USA Millionen für ihr Lobbying ausgeben. Die Verhandlungspartner haben relativ klar gemacht, dass sich daran nichts ändern wird. Kontrollen in Hinblick auf die Wahrheit von Eintragungen sind nicht geplant. Weil das Register freiwillig ist, so die Argumentation, habe man keine Handhabe. Ein weiteres Argument, warum ein verpflichtendes Register unabdingbar ist. Nötig und sinnvoll wäre es auch gewesen, noch einmal sehr genau aufzuzeigen, welche Aktivitäten und Faktoren ins Lobbybudget gehören, zum Beispiel mit einer nicht abschließenden Liste. Dieser vergleichsweise einfache Beitrag zur Verbesserung der Daten scheint aber nicht geplant, ist jedenfalls nicht im Entwurf zu finden.

Lobbyfirmen müssen ihre Kunden als Anteil ihres Gesamtumsatzes darstellen. Wer mehr als eine Million Euro Umsatz macht, muss in Schritten von 250.000 Euro berichten. Lobbyriesen wie die Agentur Burson Marsteller mit einem Umsatz von € 8 Millionen werden die genauen Lobbyausgaben zahlreicher Kunden hinter den groben Stufen im Nebel lassen können. Mittlere Lobbyfirmen mit einem Umsatz von bis zu einer Million Euro muss in Schritten von 100.000 Euro berichten, kleine Lobbyfirmen mit einem Umsatz von bis zu 500.000 Euro in Schritten in 50.000er-Schritten. Kleine Lobbyfimen müssen damit sehr viel genauer berichten als große – ein widersinniger Ansatz.

Fazit
Auch wenn das gemeinsame Register, dass im Juni 2011 gestartet wird, große Fortschritte gegenüber den bisherigen einzelnen Registern aufzeigt: Was die Aussagekraft der Daten betrifft, bleibt es nur bedingt nützlich, weiterhin können Unternehmen falsche Daten angeben, ohne eine Bestrafung der Kommission fürchten zu müssen, solange sich nicht jemand anderer beschwert. Wer intransparent arbeiten will, kann dies weiterhin tun, da das Register freiwillig bleibt. Unsere Allianz ALTER-EU wird die Zeit bis zur endgültigen Verabschiedung nutzen, um auf weitere Verbesserungen zu dringen.

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