Lobbyismus und Klima

BP: Deepwater Horizon – Desaster der Öl-Lobby

Während der Ölkonzern weiter mit der sprudelnden Ölquelle im Golf von Mexiko kämpft, wird die politische Debatte über Ursachen und Konsequenzen des Desasters schärfer. Dabei kommt zunehmend in den Blick, welche Rolle die Lobbyarbeit von bp und der Ölindustrie gespielt hat. Die verantwortlichen Kontrollinstanzen haben die Ölförderung der Selbstregulierung bzw. der unkontrollierten Fahrlässigkeit überlassen. Dimensionen […]
von 27. Mai 2010
Löscheinsatz im Kampf gegen das Feuer auf der BP-Bohrinsel Deepwater Horizon, aufgenommen von einem Helikopter der US-Küstenwache. Quelle: wikicommons. Lizenz: Public Domain

21. April 2010. Löscheinsatz im Kampf gegen das Feuer auf der BP-Bohrinsel Deepwater Horizon, aufgenommen von einem Helikopter der US-Küstenwache. Quelle: wikicommons. Lizenz: Public Domain

Während der Ölkonzern weiter mit der sprudelnden Ölquelle im Golf von Mexiko kämpft, wird die politische Debatte über Ursachen und Konsequenzen des Desasters schärfer. Dabei kommt zunehmend in den Blick, welche Rolle die Lobbyarbeit von bp und der Ölindustrie gespielt hat. Die verantwortlichen Kontrollinstanzen haben die Ölförderung der Selbstregulierung bzw. der unkontrollierten Fahrlässigkeit überlassen.

Dimensionen des Desasters
Etwa 5.000 Fässer (Barrel) Rohöl sollen vorsichtigen Schätzungen zufolge täglich seit dem 22. April 2010 in den Golf geflossen sein. In einer Anhörung vor dem US-Kongress hatten bp-Vertreter zu Beginn der Katastrophe gar von bis zu 60.000 Barrel pro Tag gesprochen. Das wären nach einem Monat demnach mindestens 150.000, vielleicht bis zu 350.000 Barrel Rohöl. (Genaue Zahlen sind Mangelware, zumal bp anscheinend auch einen Teil des Öls auffangen kann.) Zum Vergleich: Der Tanker Exxon Valdez verseuchte 1989 mit einer Menge von ca. 250.000 Barrel die Küste von Alaska auf einer Länge von 2000 km.

Ein Unternehmen, das mal British Petroleum hieß
bp gibt sich seit Jahren als „grünes Unternehmen“. Der Konzern steckte im Juli 2000 etwa 200 Millonen US-Dollar in eine großdimensionale Greenwashing-Kampagne. Man tauschte das bisherige Ritterschild-Logo gegen eine gelb-grüne Sonne aus, gab sich fortschrittlich und stellte sich als Vorreiter für regenerative Energien dar, was gemessen an Zahlen, Investitionen und Fakten nachweislich ein imageförderndes Zerrbild war (vgl. unsere Greenwash-Studie von 2007, pdf). Zudem fiel der Konzern schon länger durch einen fahrlässigen bis skrupellosen Umgang mit Sicherheitsstandards auf:

Im März 2005 explodierte eine bp-Raffinerie in Texas City. 15 Arbeiter wurden getötet und 170 verwundet. Der 347-seitige Report einer staatlichen Untersuchungskommission kritisierte bp zwei Jahre später scharf. Er kommt zu der Erkenntnis, dass in der Raffinerie 12-Stunden-Schichten an 30 aufeinander folgenden Tagen gefahren wurden und dass bp die Geschäftsleitung der Raffinerie konsequent unter Druck setzte, die Kosten zu minimieren, was letztendlich durch eine Kombination aus beständig abgesenkten Sicherheitsstandards und übermüdeten Arbeitern zur Katastrophe führte. (Quelle: Washington Post)

Im August 2006 musste BP eine marode Ölpipeline in Alaska vom Netz nehmen. Im März des Jahres hatten Umweltschützer entdeckt, dass im Ölfeld Prudhoe Bay in Alaska schätzungsweise 5.000 Barrel Rohöl ausgelaufen waren, ohne dass bp dieses mitbekommen hätte (Quelle: BBC).

Dies ist nur ein Ausschnitt – siehe auch den Zeit-Artikel „Grünes Getöse“ von 2007 oder einen aktuellen Beitrag von PR Watch. Auch bei der Vorgeschichte des Deepwater Horizon-Unfalls gibt es deutliche Hinweise, dass bp stärker auf die Kosten als auf die Sicherheit geachtet hat. Die New York Times berichtet aktuell, dass sich bp kurz vor dem Unfall für ein riskantes, aber günstiges Bohrverfahren im Golf von Mexiko entschied (vgl. auf deutsch die Zeit). Bereits früher hatte das Wall Street Journal geschrieben, dass bp sich mit anderen Ölfirmen dafür stark gemacht habe, zusätzliche teuere Sicherheitstechnik wie akustische Schalter bei Tiefseebohrungen zu verhindern (vgl. FTD).

 

bp-Tankstelle in Australien. In Deutschland vertreibt der Konzern seinen Treibstoff über Aral. Autor: Bidgee. Linzenz: Creative Commons.

Das Lobbyisten-Märchen von der Selbstregulierung
Es gehört zum Standardrepertoire von Konzernen und Lobbyisten, Selbstregulierung an Stelle von staatlicher Überwachung oder unabhängiger Kontrolle zu fordern. Die amerikanische Ölindustrie, eine der mächtigsten Lobbys des Landes, war darin offenbar sehr erfolgreich. Die New York Times berichtete am 7. Mai 2010, dass Prüfer der Bundesbehörden schon vor zehn Jahren Warnungen an die Betreiber von Bohrinseln ausgesandt hätten, Sicherungssysteme für die riesigen Unterwasserventile der Unterseeleitungen einzubauen. Diese Warnungen seien 2004 und 2009 wiederholt worden, aber anstatt eigene Kontrollen oder sonstige Maßnahmen durchzuführen, hätten die Kontrollbehörde MMS (Mineral Management Service) und das US-Innnenministerium auf die Selbstregulierung der Ölindustrie vertraut.

Behördenberichten zufolge soll es von 2001 bis 2007 die erstaunliche Zahl von 1.443 ernsten Unfälle bei Bohrungen vor der Küste gegeben haben, die zu 41 Todesfällen, 302 Verletzungen und 356 Öl-Austritten geführt hätten. Dennoch haben die Bundesbehörden die Ölindustrie weitgehend der Selbstüberwachung überlassen. Die Begründung: „Die besten Techniker arbeiten für die Industrie, nicht für die Regierung.“ (Quelle: New York Times)

MMS – Korruption in allen Schattierungen
Ein Untersuchungsbericht des Innenministeriums, der sich bereits 2008 mit den ruchbar gewordenen Verfilzungen der Regulierungsbehörde mit der Ölindustrie befasst hat, kommt zu einem vernichtenden Urteil über das MMS: Die Behörde wäre durchsetzt von Individuen, die ethisch nicht vertretbare Kontakte zur Ölindustrie gehabt hätten. Die Palette reichte von ungenehmigten Nebenjobs, unerlaubten Geschenken bis hin zu Drogen und Sex. Das besondere an den USA: Der pikante Bericht, in dem auch einzelne Beamte konkret beschuldigt werden, ist als offizielles Regierungsdokument frei [PDF] verfügbar. Bereits 2008 standen drastische Maßnahmen zur Neuausrichtungen des MMS im Raum, jetzt prophezeit die US-Presse eine bevorstehende Auflösung der Behörde.

Die Ölindustrie gehört in den USA zu den Branchen, die enorme Summen in Lobbyaktivitäten investieren (vgl. Daten aus dem US-Lobbyregister). Sie ist zudem personell wie finanziell eng mit der Politik verwoben. Von den derzeitigen Kongressmitgliedern haben viele in der Vergangenheit von bp Zuwendungen in Form von Spenden erhalten ( vgl. Sunlight Foundation oder Financial Times Deutschland). Das Center for Responsive Politics stellte zudem fest, dass mindestens 17 Kongressmitglieder Anteile von bp besitzen.

Die Ölkatastrophe als „Kommunikationsproblem“ – und die Lobby arbeitet weiter
Im Zuge der aktuellen Krisenkommunikation verkündete BP-Cheflobbyist David Nagel großzügig , dass sich der Konzern nicht auf die gesetzliche Haftungsobergrenze für Unternehmen bei selbstverursachten Umweltschäden (75 Mio. US-Dollar) berufen und in vollem Umfang für den Schaden aufkommen werde. Gleichzeitig setzt sich das American Petroleum Institute (API) – eine einflussreiche Lobbyorganisation der Öl-Branche, in der auch bp Mitglied ist – erfolgreich dafür ein, dass diese Haftungsobergrenze nicht auf 10 Mrd US-Dollar angehoben wird (vgl. Die Zeit: Die mächtige Lobby des Big Oil).

Zugleich setzt bp weiter auf massive Krisenkommunikation und PR. Breit kommuniziert der Öl-Multi beispielsweise seine Fürsorge um die ortsansässigen Fischer. Diese sieht so aus, dass bp den in ihrer Existenz bedrohten Fischern anbietet, dass sie aktiv bei der Eindämmung des Schadens an der Küste helfen können. Sie sollen mit 10 Dollar Stundenlohn abgegolten werden und müssen sich laut Presseberichten im Gegenzug verpflichten, auf Teile ihrer Haftungsanspruchsrechte zu verzichten (vgl. u.a.Die Welt). Das Medienmagazin Zapp hat in zwei Beiträgen aufgearbeitet, wie bp jahrelang ein grünes Image vortäuschte und wie das Unternehmen nun versucht, die Ölpest zumindest kommunikativ in den Griff zu bekommen und Bilder von der Ölpest zu unterdrücken (Video).

Und was lernen wir daraus? Einfach weitermachen!?
Manche nutzen nun die Gelegenheit, um ins Gedächtnis zu rufen, auf welch schmalem Grad des technisch Machbaren sich viele Küsten-Bohrungen bewegen – insbesondere in extremer Tiefe – und welche Risiken damit erwiesenermaßen verbunden sind. Greenpeace-USA hat eine Online-Petition an den Kongress gestartet , um JEDE weitere Ölbohrung zu stoppen. Die US-Regierung setzte eine spezielle Untersuchungskommission ein, um den Unfall und die Vorgehensweise der Öl-Lobby zu untersuchen.

bp versucht gegenzusteuern und betont die Bedeutung der Energieversorgung durch den Energieriesen für das US-Gemeinwohl. „Die Branche arbeite zwar an den Grenzen der Geologie, der Geografie und der Technologie, aber die Anforderungen lägen nicht jenseits der Fähigkeiten der Industrie. Der Golf von Mexiko und andere Offshore-Regionen leisteten einen zentralen Beitrag zur Energiesicherheit der USA“, zitiert spiegel.de den bp-Vorstandschef Tony Hayward.

Zugleich baut bp seine Lobby-Maschine in Washington weiter aus, um stärkeren Einschränkungen und Regulierungen entgegen zu wirken, wie das Wall Street Journal berichtet. Die Auseinandersetzung um striktere Regeln und eine Beschneidung der Öl-Lobby dürfte noch heftig werden.

Weitere Informationen:

Interview mit dem Greenpeace-Experten Christian Bussau

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