Aus der Lobbywelt

Erneut verdeckte Meinungsmache – heute: Biosprit

Nach den Enhüllungen zur verdeckten PR der Deutschen Bahn haben wir einen weiteren Fall ähnlicher Dimension aufgedeckt: Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e.V. (VDB) räumte gestern gegenüber LobbyControl ein, dass er 2008 monatelang mit unlauteren Mitteln Werbung für seine Ziele – die positive Darstellung von Biosprit – betrieb. Der VDB repräsentiert nach eigener Aussage 80 […]
von 10. Juli 2009

Nach den Enhüllungen zur verdeckten PR der Deutschen Bahn haben wir einen weiteren Fall ähnlicher Dimension aufgedeckt: Der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e.V. (VDB) räumte gestern gegenüber LobbyControl ein, dass er 2008 monatelang mit unlauteren Mitteln Werbung für seine Ziele – die positive Darstellung von Biosprit – betrieb. Der VDB repräsentiert nach eigener Aussage 80 Prozent der deutschen Biokraftstoffkapazitäten.

Der heutige Präsident des Verbands Claus Sauter bestätigte gegenüber LobbyControl, dass der Verband Anfang 2008 die deutsche EPPA GmbH mit der Erstellung einer Analyse und der Durchführung einer Kampagne beauftragt hat. Das selbe Lobbyunternehmen war im Fall der verdeckten Pro-Privatisierungs-Propaganda der Deutschen Bahn tätig, die wir vor wenigen Wochen aufgedeckt hatten.

Wie bei DB: EPPA GmbH und Berlinpolis beteiligt
Laut Aussage von Claus Sauter waren Rüdiger May und Josef Grendel bereits Mitte 2007 im Namen von EPPA GmbH an den Verband herangetreten. Umweltverbände und Entwicklungsorganisationen hatten zu der Zeit zunehmend ökologische Bedenken vorgebracht und Biokraftstoffe als Auslöser von Hunger in Entwicklungsländern kritisiert. Die Debatte wurde (und wird) in der Öffentlichkeit sehr kontrovers geführt. Das Angebot der EPPA GmbH habe vorgesehen, eine Analyse der Berichterstattung vorzunehmen und eine Öffentlichkeitskampagne anzuschließen, die der Kritik entgegen wirken sollte. Sauter zu Folge, damals noch als Vorstandsmitglied tätig, wurde dabei zumindest im Vorstand nicht über die Methoden gesprochen. Es sei aber klar gewesen, dass auch die Lobbyagentur Berlinpolis an der Ausführung beteiligt sein würde.

Manipulation der öffentlichen Meinung
Im Anschluss an den Vertragsabschluss begannen Mitarbeiter von Berlinpolis, Leserbriefe zu veröffentlichen. Von wenigen Ausnahmen abgesehen findet sich bei den VerfasserInnen kein Hinweis auf ihre Tätigkeit bei Berlinpolis. Ein Autragsverhältnis zum VDB ist nicht erkennbar. Die Leserbriefe wurden unter anderem bei FAZ.Net, FR-Online, Welt, Junge Welt, Märkische Allgemeine und Taz veröffentlicht. Darüber hinaus publizierte der Berlinpolis-Geschäftsführer Daniel Dettling Artikel im Namen von Berlinpolis bei der FTD und der Welt, in denen er schreibt, Biokraftstoffe seien zu Unrecht in Verruf geraten.

Auch eine Forsa-Umfrage über Biosprit wurde durch Berlinpolis in Auftrag gegeben.

„Tank oder Teller?“
Ebenso veranstaltete Berlinpolis eine Podiumsdiskussion, auf der unter anderem die CDU-Politikerin und Parlamentarische Staatssekretärin Ursula Heinen (BMELV), Michael Kauch (MdB und umweltpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion) sowie Helmut Lamp (MDB für die CDU und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Bioenergie) anwesend waren. Eine finanzielle Vergütung der Politiker soll es aber nicht gegeben haben.

Berlinpolis betrieb Webauftritt eines Ministeriums
Weitere Brisanz erhält der Fall durch einen nicht als PR-Beitrag gekennzeichneten Artikel einer Berlinpolis-Mitarbeiterin zum Thema Energie auf der Website der „Kreativen Ökonomie“. Die Seite wird vom Ministerium für Wirtschaft, Mittelstand und Energie in Nordrhein-Westfalen betrieben, das sich auch mit Biosprit-Fragen beschäftigt. Aufbau, Programmierung und Pflege der Website unterlag von 2007 bis 2009 Berlinpolis. Laut Wirtschaftsministerium ist der Vertrag inzwischen ausgelaufen.

VDB-Präsident Claus Sauter erklärte, nichts von den verdeckten Aktionen gewusst zu haben. Ihm seien lediglich die Artikel von Daniel Dettling und zwei eigens produzierte Videos bekannt gewesen, die bei youtube.de und auf der Seite www.zukunftmobil.de zu sehen gewesen seien. Nicht auszuschließen sei jedoch, ob diese möglicherweise mit dem damaligen Präsidium oder der damaligen Geschäftsführung abgesprochen waren.

Nach Angaben des VDB wurde der Vertrag Mitte 2008 vorzeitig gekündigt. Wie viel Geld im Rahmen des Auftrages geflossen ist, will der VDB nicht offen legen. Weiterhin unklar ist, ob auch andere Unternehmen und Verbände auf die Dienste von EPPA GmbH und Berlinpolis zurückgriffen.

Wie im Fall der Bahn wurde hier mit den gleichen Methoden versucht, Öffentlichkeit und Politik dadurch zu beeinflussen, dass vermeintlich unabhängige Dritte im Sinne der Biosprit-Industrie in die öffentliche Debatte eingriffen. Diese Manipulation von Politik und Öffentlichkeit ist absolut inakzeptabel!

Erst Ende letzter Woche hatte der Deutsche PR-Rat, das Selbstkontrollorgan der PR-Branche, die EPPA GmbH für die Durchführung und Steuerung der Bahn-Affäre öffentlich gerügt. Laut PR-Rat hat das Lobbyunternehmen keinerlei Mitwirkung am Verfahren gezeigt. Deshalb könne nicht bewertet werden, ob EPPA GmbH inzwischen von seinem „unethischen Geschäftsgebaren“ Abstand genommen habe. Diese mangelnden Aufklärungsmöglichkeiten des PR-Rates zeigen, dass eine freiwillige Selbstkontrolle im Ernstfall ein zahnloser Tiger bleibt.

Wir fordern daher ein gesetzlich verankertes Lobbyisten-Register, das Lobbyisten zur Transparenz über ihre Auftraggeber und Budgets verpflichtet. Unterstützen Sie unsere Forderung und unterzeichnen Sie jetzt unseren Online-Appell an den Bundestag: Hier geht es zum Appell.

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Die Pressemitteilung zur verdeckten Biosprit-PR finden Sie hier (pdf).

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