Lobbyismus und Klima

Rechtsgutachten bestätigt: Lobbyverband „Wirtschaftsrat“ gehört nicht in den CDU-Parteivorstand

Bei der CDU sitzt der Lobbyverband Wirtschaftsrat im Partei-Vorstand. Diese Verquickung von Lobbyinteressen mit einer Partei ist politisch fragwürdig. Nun belegt ein Rechtsgutachten im Auftrag von LobbyControl: Diese Praxis ist rechts- und satzungswidrig.
von 12. Januar 2022

Bei der CDU sitzt der Lobbyverband "Wirtschaftsrat der CDU" im Partei-Vorstand. Diese Verquickung von Lobbyinteressen mit einer Partei ist politisch fragwürdig. Nun belegt ein Rechtsgutachten im Auftrag von LobbyControl: Diese Praxis ist außerdem rechts- und satzungswidrig. Der zukünftige Parteichef Friedrich Merz muss nun dem Wirtschaftsrat dringend das ständige Gastrecht im Parteivorstand entziehen. Merz steht hierbei in einer besonderen Verantwortung, da er bis vor wenigen Wochen Vizepräsident des Verbands war.

Wirtschaftsrat: privilegierte Zugänge ins Machtzentrum der Partei

Seit seiner Gründung in den 1960er Jahren hat der CDU-nahe Lobbyverband „Wirtschaftsrat der CDU“ einen Stammplatz im CDU-Bundesvorstand und profitiert damit von privilegierten Zugängen in die Machtzentrale der Partei. Der Wirtschaftsrat wird – nicht zuletzt aufgrund seines irreführenden Namens - häufig als Parteigremium angesehen, ist aber ein Berufsverband, der formal keinerlei Verbindungen zur CDU hat. In der Vergangenheit fiel der Verband unter anderem durch massive Lobbyarbeit gegen Klimaschutzmaßnahmen oder Menschenrechtspflichten in Lieferketten auf. Die Positionen des Verbands spiegeln keinesfalls die gesamte Bandbreite unternehmerischer Anliegen wider. Der Verband ist unter anderem stark in neoliberalen Netzwerken und der fossilen Wirtschaft verankert.

Obwohl der Verband formal nicht mit der Partei verbunden ist, verhält er sich quasi wie ein Parteigremium.. Die Präsident:innen des Verbands nehmen regelmäßig an den Sitzungen des Vorstands teil. Sie haben dort zwar kein Stimmrecht, können aber ihr Rederecht wahrnehmen, um die Positionen des Vorstands zu beeinflussen. Laut einem CDU-Sprecher wird die Präsidentin jeweils auf der konstituierenden Sitzung des Parteivorstands alle zwei Jahr als „ständiger Gast“ eingeladen, um an den Vorstandssitzungen teilzunehmen.

Wie stark der Wirtschaftsrat im Parteivorstand verankert ist, zeigt sich unter anderem daran, dass die Präsident:innen lange Zeit auf der Webseite als „beratende Mitglieder“ aufgeführt wurden (Klick auf Bundesvorstand). Damit waren sie nach außen hin den beratenden Mitgliedern aus den per Satzung vorgesehenen Parteivereinigungen (z.B. Mittelstands- und Wirtschaftsunion) gleichgestellt. Diese Praxis ist politisch fragwürdig, weil sie einem unternehmerischen Berufsverband außerhalb der Partei privilegierte Zugänge zu einem der wichtigsten Parteigremien verschafft.

Gaststatus mit Sonderrechten: gesetzes- und satzungswidrig

Schon im vergangenen Jahr haben wir auch die Rechtmäßigkeit des Gaststatus des Wirtschaftsrates angezweifelt. Denn: Ein Lobbyverband, der als Berufsverband organisiert ist und formal keinerlei Verbindungen zur CDU hat, darf keine institutionalisierten Zugänge zu Parteigremien haben. Nun haben wir ein Rechtsgutachten bei der Anwältin Roda Verheyen in Auftrag gegeben, das unsere Zweifel deutlich bestätigt: Der Dauergaststatus des Wirtschaftsrats widerspricht sowohl dem Parteiengesetz als auch dem CDU-Statut (Satzung) der Partei.

Das Grundgesetz Artikel 21 verpflichtet Parteien auf eine innerparteilichen Ordnung nach „demokratischen Grundsätzen“, was sich nicht zuletzt auch auf die Zusammensetzung des Parteivorstands bezieht. Konkretisiert wird diese Pflicht durch das Parteiengesetz. Demnach ist eine zusätzliche Berufung eines Mitglieds in den Vorstand einer Partei aufgrund seines Amtes nur dann zugelassen, wenn dieses Amt in der Satzung ausdrücklich genannt wird. Diese Regelung gilt laut Rechtsprechung des CDU-Bundesparteigerichts ausdrücklich auch für allein beratende Mitglieder.

Folglich dürfen parteiinterne Organisationen wie die Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) oder die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) beratend im Vorstand der Partei mitwirken, nicht aber ein Berufsverband wie der Wirtschaftsrat. Auch wenn der Sitz des Wirtschaftsrats im Parteivorstand durch die Partei nur als „ständiger Gast“ bezeichnet wird, so widerspricht dies dem Willen des Gesetzgebers, so das von LobbyControl in Auftrag gegebene Gutachten.

Rechtsgutachten mit klarem Ergebnis: rechts- und satzungswidrig

„Mangels satzungsmäßiger Grundlage verstößt der ständige Gaststatus der Präsidentin des Wirtschaftsrats mit Teilnahme- und Rederecht an den Sitzungen des Bundesvorstands der CDU sowohl gegen das Parteiengesetz, als auch gegen die Satzung der CDU.“ Rechtsgutachten der Kanzlei „Rechtsanwälte Günther Partnerschaft“, Januar 2022

Wirtschaftsrat raus aus dem Bundesvorstand!

Ein rechtswidrig zusammengesetzter Bundesvorstand ist eine schwere Belastung für die Partei. Deswegen ist es jetzt höchste Zeit, dass die CDU den Verband aus dem Vorstand ausschließt. Andernfalls riskiert die Partei ihre demokratische Legitimität. Wir fordern den designierten Parteivorsitzenden Friedrich Merz auf, unverzüglich Klarheit herzustellen und dem Wirtschaftsrat seine Sonderrechte sofort zu entziehen.

Die Partei stritt letztes Jahr auf unsere Anfrage hin ab, dass institutionalisierte Beziehungen zwischen Wirtschaftsrat und Partei bestünden und berief sich darauf, dass sich der Gaststatus des Wirtschaftsrates von dem der parteiinternen Mitglieder unterscheide. Worin dieser Unterschied liegt, blieb allerdings unbeantwortet. Unsere Belege sprechen dagegen, aber letztlich liegt es an der CDU genau aufzuklären.

Deswegen muss die Partei nun Aufklärung über die parteiinternen Vorgänge schaffen und Einsicht in die Sitzungsprotokolle gewähren, damit nachvollziehbar wird, wie genau die Präsidentin des Wirtschaftsrats in den Vorstand aufgenommen wurde und welche Rolle sie dort hatte. Wir rufen engagierte CDU-Mitglieder auf, ihre Mitgliedsrechte wahrzunehmen und auf Einsicht und Transparenz zu drängen – um einen Schaden von ihrer Partei abzuwenden! Interessierte Mitglieder können sich dazu mit ihren Fragen auch gerne an uns wenden (Mailadresse: kontaktcdu@lobbycontrol.de).

Merz und der Wirtschaftsrat: parteiinternes Rumoren

Bankenverband/ Gregor Fischer - CC-BY 2.0
Friedrich Merz hatte jahrelang Spitzenfunktionen im Wirtschaftsrat, nun muss er für eine klare Trennung zwischen Parteianliegen und Lobbyinteressen sorgen

Die Beziehungen zwischen Wirtschaftsrat und CDU sind auch angesichts der Personalie Friedrich Merz brisant. Der designierte Parteivorsitzende Merz war dem Lobbyverband Wirtschaftrat über viele Jahre eng verbunden und galt als sein Aushängeschild. Gleichzeitig nutzte er den Verband als Unterstützerkreis und Plattform, um sich als Wirtschaftspolitiker zu profilieren. Merz war zunächst Schatzmeister des Verbands, von Anfang 2019 bis November 2021 einer von zwei Vize-Präsidenten und trat in den letzten Jahren als Abschlussredner auf seinen großformatigen Jahrestagungen auf.

Erst kurz vor Beginn der Mitgliederabstimmung zur Wahl des Parteivorsitzenden der CDU kandidierte er nicht erneut für das Amt des Vizepräsidenten des Wirtschaftsrates. Verbindungen zwischen Merz und dem Wirtschaftsrat gibt es aber weiterhin – u.a. durch Merz‘ persönlichen Pressesprecher Armin Peter, der gleichzeitig als stellvertretender Pressesprecher für den Wirtschaftsrat arbeitet.

Auch innerhalb der Partei rumort es angesichts der privilegierten Beziehungen zwischen Partei, Merz und dem Wirtschaftsrat. So trat im Oktober 2021 der damalige Vorsitzende des Jungen Wirtschaftsrats, Marcus Ewald, aus Protest zurück. Er bezeichnete den Wirtschaftsrat als „Kampfgruppe Merz innerhalb der Union“ und kritisierte, dass der Verband mit einem CDU-Politiker wie Merz keine Wirtschaftskompetenz liefere. Auch aus dem Arbeitnehmerflügel rund um den CDA gibt es kritische Stimmen gegenüber dem Einfluss des Wirtschaftsrats und des partei-internen Wirtschaftsflügels auf die Partei. Die Union könne nicht „das soziale Gewissen im Land werden, wenn die engere Parteiführung fast ausschließlich aus Mitgliedern von Mittelstandsunion und Wirtschaftsrat besteht«, sagte Radtke dem Handelsblatt.

Ähnlicher Fall auch bei der FDP

Die CDU ist nicht die einzige Partei mit einem Lobbyverband im Bundesvorstand. Auch bei der FDP hat der Vorsitzende des Liberalen Mittelstand den Status eines beratenden Dauergastes, auch dieser Verband ist ein unternehmerischer Berufsverband ohne formale Beziehungen zur Partei. Der Liberale Mittelstand wird zwar als Vorfeldorganisation auf der Partei-Webseite genannt, nicht aber als Teil des Vorstands in der Parteisatzung. Dort werden Vertreter/innen des Verbands lediglich Rederecht auf dem Parteitag eingeräumt.

Gegenüber der Süddeutschen Zeitung bestätigte die FDP im letzten Frühjahr, dass der Vertreter des Liberalen Mittelstands den "Status eines ständigen Gastes" habe und "sowohl 2020 als auch in diesem Jahr an Vorstandssitzungen teilgenommen" hat. Die Parteien SPD, CSU und Grüne haben ebenfalls parteiexterne wirtschaftsnahe Vorfeldorganisationen, diese sind allerdings nicht dauerhaft in den Parteivorständen vertreten.

Hintergrund:

- Verheyen/Horenburg: Kurzgutachten zur Rechtsmäßigkeit der dauerhaften Teilnahme des Wirtschaftsrats an den Sitzungen des CDU-Parteivorstands (Januar 2022, pdf)

- Pressemitteilung: Rechts- und satzungswidrig: LobbyControl kritisiert Lobbyverband im CDU-Parteivorstand

- LobbyControl-Studie: Der Wirtschaftsrat der CDU: mächtiges Lobbyforum und einflussreicher Klimaschutz-Bremser (März 2021, pdf)

- LobbyControl: Weitere Kritik am Wirtschaftsrat der CDU (Juni 2021)

Bild: Friedrich Merz auf dem Bankentag 2017, Gregor Fischer/Flickr.com. Lizenz: CC-BY-2.0, Bildausschnitt

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