Lobbyismus in der EU

Unternehmensvertreter dominieren Beratungsgremien der EU-Kommission

Die Expertengruppen der Generaldirektion Unternehmen und Industrie bei der EU-Kommission werden von Unternehmensvertretern dominiert. Dies zeigt eine neue Studie unseres europäischen Netzwerks, der Allianz für Lobby-Transparenz und ethische Regeln (ALTER-EU). Die Expertengruppen beraten die Kommission bei Gesetzesvorhaben und beeinflussen so maßgeblich die EU-Politik. Daher ist es eine wichtige politische Frage, wie diese Gruppen zusammengesetzt sind. […]
von 10. Juli 2012

Titelcartoon der Studie: Fahrer, bieg rechts ab!Die Expertengruppen der Generaldirektion Unternehmen und Industrie bei der EU-Kommission werden von Unternehmensvertretern dominiert. Dies zeigt eine neue Studie unseres europäischen Netzwerks, der Allianz für Lobby-Transparenz und ethische Regeln (ALTER-EU). Die Expertengruppen beraten die Kommission bei Gesetzesvorhaben und beeinflussen so maßgeblich die EU-Politik. Daher ist es eine wichtige politische Frage, wie diese Gruppen zusammengesetzt sind.

Einseitiger Einfluss zugunsten der Unternehmen

Die Studie untersucht die 83 Expertengruppen der Generaldirektion Unternehmen und Industrie. Davon sind 34 Gruppen allein der europäischen Kommission sowie nationalen Regierungen und Behörden vorbehalten. Im Fokus stehen die anderen 49 Expertengruppen, an denen Vertreter von Unternehmen, Wissenschaft oder Nichtregierungsorganisationen beteiligt sind. In 32 dieser 49 Gruppen haben Großunternehmen bzw. ihre Verbände eine Mehrheit der nicht von Regierungsvertretern besetzten Sitze inne. Zwei Drittel dieser Expertengruppen werden also von den Interessen großer Unternehmen dominiert.

Insgesamt 482 Beraterinnen und Berater aus Unternehmen haben damit großen Einfluss auf Schlüsselbereiche der Politik: Der Generaldirektion Unternehmen und Industrie unterstehen Unternehmen aus sensiblen Bereichen wie Lebensmittel, Chemikalien, Gesundheit oder Automobile. Der großen Zahl der Unternehmensvertreter gegenüber stehen 255 Berater/-innen aus allen übrigen Bereichen (außer Regierungsvertreter/-innen). 124 davon entfallen auf Wissenschaft und Forschung, 66 auf Nichtregierungsorganisationen, 44 auf kleine und mittlere Unternehmen, 11 auf Gewerkschaften. Ihre Chancen, maßgeblichen Einfluss auf die Politik zu nehmen, sind entsprechend geringer. In der Vergangenheit hat die Generaldirektion erfolgreich Richtlinienentwürfe wie den zum CO2- Ausstoß von Autos oder zur Evaluation und Registrierung besorgniserregender chemischer Substanzen („REACH“) verwässert.

Kritik auch vom Europaparlament

Auch das Europäische Parlament hat die Kommission in der Vergangenheit dafür kritisiert, dass sie sich durch diese  mehr mit den Großkonzernen abgibt als mit jeder anderen sozialen Gruppe.  Im Oktober 2011 hat es Teile des Budgets der Kommission für ihre Expertengruppen eingefroren mit der Auflage, neue Regeln für die Zusammensetzung der Expertengruppen einzuführen.  Bereits jetzt verstößt die Kommission mit der unausgewogenen Besetzung ihrer Beratungsgremien gegen geltende Regel, allerdings sind diese äußerst weich gehalten.

Wir haben in der Vergangenheit bereits mehrfach die Zusammensetzung der Expertengruppen bei der EU-Kommission kritisiert – so zum Beispiel mit der Studie „A captive commission – the role of the Financial Industry in shaping EU regulation“. Der zuständige Kommissar Michel Barnier hat in den letzten Jahren wichtige Verbesserungen eingeleitet, wie die Auflösung mehrerer unausgewogener Expertengruppen.

Radikale Reform aller Expertengruppen nötig

Wir fordern, dass sich nun die gesamte Kommission neue Regeln für die Zusammensetzung der Expertengruppen geben und ihre unausgewogenen Expertengruppen auflösen muss. Es darf nicht sein, dass durch die unausgewogene Besetzung derart wichtiger Gremien den Interessen von Unternehmen eine größere Priorität eingeräumt wird als dem öffentlichen Interesse. In der aktuellen Studie zeigen wir die Problematik anhand vier konkreter Expertengruppen, unter anderem der Wiedergründung der „High Level Group on the Competitiveness and Sustainable Growth of the Automotive Industry in the European Union “ (Cars 21), die bereits in der Vergangenheit die Pläne der EU-Kommission für die Reduktion von CO2-Emmission von Autos entscheidend verwässert hat. Lesen Sie mehr darüber in unserer deutschen Kurzzusammenfassung.

Weitere Informationen:

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