Lobbyregister

Schwache Lobbyregisterdebatte im Bundestag

Bereits am 7. April diskutierte der Bundestag über Anträge der Grünen und der Linkspartei für ein verpflichtendes Lobbyregister sowie über einen Antrag der SPD zur Mitarbeit von Externen in den Bundesministerien. Das Protokoll der Sitzung (pdf, TOP 6) zeigt, wie bedauerlich unsachlich und uninformiert die Debatte an vielen Stellen geführt wurde und dass sich Union […]
von 18. Mai 2011

Plenarsaal des Bundestages, Kemmi.1, CC-by-sa 3.0 Bereits am 7. April diskutierte der Bundestag über Anträge der Grünen und der Linkspartei für ein verpflichtendes Lobbyregister sowie über einen Antrag der SPD zur Mitarbeit von Externen in den Bundesministerien. Das Protokoll der Sitzung (pdf, TOP 6) zeigt, wie bedauerlich unsachlich und uninformiert die Debatte an vielen Stellen geführt wurde und dass sich Union und FDP dem Thema Transparenz für Lobbyisten weiterhin weitgehend verweigern. Wir kommentieren hier die wichtigsten Aspekte der Debatte:

Ausgangspunkt sind die beiden Anträge von Grünen und Linkspartei für ein Lobbyistenregister. Die Anträge stimmen in wesentlichen Punkten überein. Beide fordern ein verpflichtendes, öffentliches, sanktionsbewehrtes Register, in das sich Personen namentlich eintragen müssen, die Entscheidungen von Parlament und Regierung zu beeinflussen versuchen. Die SPD hat trotz Beschluss des Parteivorstands für ein verpflichtendes Lobbyregister im März keinen eigenen Antrag dazu eingebracht, argumentiert in der Debatte aber im Sinne der vorliegenden Anträge.

Wenn es auch noch an Konkretisierungen mangelt und wir in manchem dem Lobbyismus grundlegend kritischer gegenüber stehen, als dies vielfach auch bei den Oppositionsparteien durchklingt, wäre eine Umsetzung der Anträge ein großer Schritt voran in Sachen Lobby-Transparenz.

Leider stoßen die Vorschläge bei den Regierungsfraktionen weiterhin auf Widerstand. Sie werden als „Populismus pur“, „bürokratisches Monster“ (Bernhard Kaster, CDU/CSU) oder „nicht praktikabel“ (Stefan Ruppert, FDP) bezeichnet. Die vorgebrachten Argumente sind jedoch mehr als fadenscheinig:

1) „Die Verbändeliste des Bundestages ist ein ausreichendes Lobbyregister“
Bernhard Kaster und Manfred Behrens (beide CDU/CSU) behaupten, es gäbe bereits ein Lobbyregister beim Bundestag – die Verbändeliste. „Diese öffentliche Liste ist 800 Seiten stark. Wo fehlt es da an Transparenz? Sie können Anschriften in Erfahrung bringen. Sie bekommen Namen von Geschäftsführern geliefert. Sie erhalten sogar Telefonnummern und E-Mail-Adressen.“ (Behrens)

Tatsächlich gibt es seit 1972 beim Bundestag eine Liste, in die sich Verbände – die klassischen Akteure der Interessenvertretung – eintragen können. Von einem Lobbyregister, wie es die Anträge vorschlagen und LobbyControl es fordert, ist diese Liste aber weit entfernt. Erstens erfasst sie, wie bereits der Name sagt, nur Verbände. Diese sind aber längst nicht mehr die einzigen, vielfach nicht einmal mehr die wichtigsten Lobbyakteure in Berlin. Vielmehr haben fast alle großen Unternehmen inzwischen ihre eigenen Lobby-Repräsentanzen in der Hauptstadt. Außerdem arbeiten zunehmend PR-Agenturen und Rechtsanwälte als Lobbydienstleister. Diese werden ebenso wenig erfasst wie Denkfabriken und selbständig arbeitende Lobbyisten. Gerade in diesem Bereich der Auftragslobbyisten wäre mehr Transparenz dringend nötig, da nicht immer klar ist, für wen sie tätig sind. Zweitens ist die Verbändeliste eher ein erweitertes Adressbuch – sie enthält Sitz, Vorstand, Zahl der Mitglieder und das Interessensgebiet, aber keine Angaben über Budgets oder Geldquellen und die Namen der tätigen Lobbyisten. Und drittens ist die Eintragung selbst für Verbände freiwillig. Die Behauptung von Herrn Kastner, die Registrierung sei Voraussetzung für die Einladung zu Anhörungen des Bundestages, ist schlicht falsch: Bereits seit 1979 wurde die Regelung vom Ältestenrat des Bundestages so interpretiert, dass auch nicht-registrierte Verbände angehört werden können. (Dies geht nach Auskunft des Sekretariats des Geschäftsordnungsauschusses des Bundestags aus einem auf den 18. Oktober 1979 datierten Schreiben selbigen Ausschusses an den damaligen Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung hervor.)

Fazit: Die Verbändeliste ist kein Lobbyregister! Es wird Zeit, dass Union und FDP dies endlich anerkennen.


2) „Jeder Bürger muss sich registrieren, wenn er mit seinem Abgeordneten sprechen will“

Bernhard Kaster (CDU/CSU) und Stefan Ruppert (FDP) suggerieren, ein Lobbyregister würde dazu führen, dass der Zugang der BürgerInnen, kleiner Unternehmen oder lokaler Organisationen zu ihren Abgeordneten beschränkt würde. Dies ist aus zwei Gründen nicht der Fall: Erstens sorgt das Lobbyregister lediglich für Transparenz, es beschränkt – bei Einhaltung dieser Transparenz – keinerlei Zugänge. Zweitens wären BürgerInnen von der Regelung ohnehin nicht betroffen, wenn sie nicht in größerem Ausmaße Lobbyarbeit betreiben. Alle Vorschläge sehen vor, dass es bei der Definition, wer als registrierungspflichtiger „Lobbyist“ zählt, Finanz- oder Zeit-Schwellenwerte geben soll. Wer nur gelegentlich mit seinem Abgeordneten spricht oder mal einen Brief schreibt, braucht sich nicht zu registrieren.

Fazit: BürgerInnen, die gelegentlich ihren Abgeordneten aufsuchen, sind vom Lobbyregister nicht betroffen. Auch sonst stellt das Register keine Beschränkung dar, sondern stellt nur Transparenzpflichten für die Lobbyisten auf.

3) „Einflussnahme und Korruption wird durch ein Lobbyregister nicht verhindert“
„Es ist doch eben nicht so, dass die konkrete Einflussnahme durch die Eintragung in ein Lobbyistenregister ausgeschlossen ist“, argumentiert Stefan Ruppert (FDP). „Korrumpierbarkeit kann man nicht mit einem Lobbyregister oder sonstigen Listen bekämpfen“, ergänzt Manfred Behrens (CDU/CSU)

Es stimmt, dass ein Lobbyregister Einflussnahmen nicht verhindert – das ist aber auch gar nicht sein primärer Zweck. Das Lobbyregister schafft Transparenz. Es macht sichtbar, wer mit wieviel Geld und in wessen Auftrag Einfluss zu nehmen sucht. Daraus kann dann – mit kritischer Beobachtung und öffentlicher Kommentierung – durchaus erwachsen, dass bestimmte Ressourcenunterschiede gesellschaftlich nicht länger hingenommen werden. Oder dass auftretende Unstimmigkeiten in den Angaben erleichtern, Korruption aufzudecken, die dann natürlich strafrechtlich verfolgt wird (das war etwa in den USA beim Skandal-Lobbyisten Jack Abramoff der Fall). Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass Lobbyisten gegen die Transparenzregeln verstoßen – dies ist aber kein Grund, die Regeln nicht zu erlassen und mit ernsthaften Sanktionen zu belegen. Ansonsten könnte man auch die Gesetze gegen Diebstahl abschaffen, weil sie nicht jeden Diebstahl verhindern.

Fazit: Das Lobbyregister ist ein großer Schritt zu mehr Transparenz – auch wenn es kein Allheilmittel ist.

4) „Wir Abgeordnete wissen doch, mit wem wir sprechen“
„Wir wissen doch alle, mit wem wir sprechen, wer uns gegenübersitzt“, behauptet Bernhard Kaster (CDU/CSU).

Zum einen ist es nicht ausreichend, wenn nur die Politiker wissen, mit wem sie sprechen, die Öffentlichkeit aber keinen Einblick darin hat. Zum anderen stimmt es nicht einmal, dass sie es selbst immer wissen: Der Fall Jan Burdinski zeigt dies, ebenso wie die (offenbar unwissentliche) Einbindung von Politikern in die verdeckte Pro-Privatisierungs-Kampagne der Deutschen Bahn.

Fazit: Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, wer Einfluss auf Politiker nimmt. Und nicht einmal diese wissen immer, mit wem sie es zu tun haben.

5) „Umweltorganisationen und Gewerkschaften werden vom Lobbyregister nicht erfasst.“
„Sie werden wahrscheinlich sagen, hier geht es nicht um Schornsteinfegerverbände oder Handwerksverbände. Hier müssen die üblichen Verdächtigen ran. Das ist dann die Pharmaindustrie. Das sind die Energiekonzerne. Das ist die Rüstungsindustrie usw.“, vermutet Bernhard Kaster (CDU/CSU). „Wir sollten nicht zwischen Menschen in Auftragsverhältnissen und Gewerkschaften, Kirchen, Umweltverbänden und anderen unterscheiden“, fordert Stefan Ruppert (FDP).

Weder das eine noch das andere trifft auf die vorliegenden Vorschläge für ein Lobbyregister zu: Es wird nicht unterschieden zwischen „guten“ und „schlechten“ oder „kleinen“ und „großen“ Lobbyisten (abgesehen von o.g. Schwellenwerten). Es müssen sich alle registrieren, egal ob Bankenverband, RWE, Greenpeace, Atomforum, DGB oder LobbyControl, wenn sie Lobbyarbeit betreiben. LobbyControl ist bereits jetzt im freiwilligen EU-Lobbyregister eingetragen (mit weit mehr Angaben als gefordert).

Fazit: Die Transparenzpflichten eines Lobbyregisters sollen für alle gleichermaßen gelten.

6) „Finanzangaben sind nicht nötig, es zählt das beste Argument“
„Es kommt nicht darauf an, mit wem man spricht, sondern es kommt darauf an, wie man mit den Dingen umgeht“, sagt Bernhard Kaster (CDU/CSU). „Die Finanzierungsquelle lässt aus meiner Sicht nicht darauf schließen, ob ich gute oder schlechte Gespräche führe. Ich werde meine Gespräche weiterhin offen, frei, unvoreingenommen und mit der nötigen sachlichen Distanz führen“, meint Manfred Behrens (CDU/CSU).

Hier werden zwei Annahmen deutlich, die einem Wunschbild entsprechen, unserer Ansicht nach aber nicht der Realität: Erstens, dass beim unabhängigen Abgeordneten am Ende das beste Argument zählt, und nicht die Interessen, die dahinter stecken. Und zweitens, dass Geld keine Rolle dafür spielt, wie gut ein Unternehmen oder Verband seine Interessen vertreten kann. Beides trifft in der Realität nicht zu. Wie professionell, wie massiv und mit welchem Machtpotential im Hintergrund Lobbyarbeit gemacht wird, beeinflusst sehr wohl den Erfolg und hängt ohne Zweifel auch von der Ressourcenausstattung ab. Wer immer über anstehende politische Entscheidungen auf dem Laufenden sein und frühzeitig eingreifen will, braucht entsprechend viele Mitarbeiter. Wer die Öffentlichkeit mit großen Anzeigen beeinflussen will, muss das Geld haben, diese zu bezahlen etc.

Fazit: Bei der Lobbyarbeit zählt oft nicht das beste Argument; und Geld spielt eine Rolle, wenn man Einfluss nehmen will. Außerdem sind die Finanzangaben nötig, um überhaupt erkennen zu können, wer wirklich hinter einer Lobby-Initiative steckt (siehe Punkt 3 und 4).

7) „In einem Lobbyregister müsste jedes einzelne Lobbygespräch dokumentiert werden.“
„Wenn man der deutschen Verwaltung unter Anwendung der von Ihnen geplanten Regeln den Auftrag gibt, Lobbykontakte in einem Register zu dokumentieren, dann wird man ganze Kohorten von Planstellen schaffen müssen; schließlich muss jeder Besuch, auch wenn er nur ein einziges Mal stattgefunden hat, dokumentiert werden“, schimpft Armin Schuster (CDU/CSU).

Dies ist ein immer wieder auftauchendes Missverständnis: Ein Lobbyregister soll nicht jeden einzelnen Besuch eines Lobbyisten bei jedem einzelnen Politiker oder Beamten dokumentieren, sondern es soll registriert werden, wer in wessen Auftrag und mit welchem Budget Lobbyarbeit betreibt. Dies ist eine einmalige Registrierung, die, wo nötig, alle drei Monate aktualisiert werden müsste. In den USA wird so ein Register schon seit vielen Jahren geführt. Es ist weder ein bürokratisches Monster noch aus anderen Gründen nicht umsetzbar.

Fazit: Ein Lobbyregister dokumentiert nicht jedes einzelne Lobbygespräch, sondern erfasst alle Lobbyisten mit ihren Auftraggebern und Budgets.

Ausblick
Die Bundestagsdebatte endete mit einem Verweis der Anträge in die Ausschüsse. Wann sie dort weiter bearbeitet werden, ist unklar. Dies ist das bedauerliche Ergebnis einer über weite Strecken unsachlich und ohne fundierte Kenntnisse der Vorschläge für ein Lobbyregister geführten Debatte. Die Debatte war zudem durch viel parteipolitisches Hickhack gezeichnet. Statt lösungsorientiert nach vorne zu blicken, wurde von allen Parteien viel mit dem Finger auf die anderen gezeigt. Dennoch ist erfreulich, dass sich der Bundestag ein weiteres Mal mit dem Thema befassen musste und eine zunehmende Übereinstimmung zwischen den derzeitigen Oppositionsparteien herrscht, dass Transparenzregeln für Lobbyisten dringend nötig sind.

Wir werden nun versuchen, mit Union und FDP in Kontakt zu kommen, um einige der falschen Vorurteile und Denkblockaden beim Thema Lobbyregister auszuräumen. Gleichzeitig ist klar, dass die Einrichtung eines Lobbyregister auch in Deutschland noch mehr gesellschaftlichen Druck braucht. Wir wollen dazu insbesondere in zwei Richtungen arbeiten: erstens das Konzept Lobbyregister in der breiten Öffentlichkeit bekannter zu machen (z.B. über eigene Schwerpunktseiten in der Lobbypedia). Zweitens ein stärkeres Netzwerk von Unterstützerinnen und Unterstützern aufzubauen, die sich dann in Aktionen für ein Lobbyregister stark machen.

Sie können uns dabei helfen: Freunde auf uns aufmerksam machen und unseren Newsletter abonnieren, Abgeordnete im Wahlkreis auf ein Lobbyregister ansprechen oder auch durch eine Spende.

Wir sind sicher, dass wir gemeinsam ein Lobbyregister in Deutschland durchsetzen können – selbst wenn wir dafür möglicherweise einen langen Atem von drei oder fünf Jahren brauchen. Helfen Sie uns dabei, eine Lobby-Wende zu schaffen!

Die Positionen von LobbyControl finden Sie ausführlich in unserem Positionspapier (PDF)

Foto: Kemmi.1 Lizenz: CC-by-sa 3.0

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